Tour-Übersicht
Tour-Dauer: 30. September – 26. Oktober 2019 (27 Tage)
Wegstrecke/Etappenziele: Palermo – Castellamare del Golfo – San Vito Lo Capo – Lo Zingaro Nationalpark – Erice – Trapani – Saline della Laguna – Marsala – Selinunte – Agrigento – Favara – Enna – Piazza Amerina – Caltagirone – Ragusa Ibla – Modica – Punta Bracetto – Noto – Siracusa – Catania – Rifugio Sapienza – Taormina – Lipari – Tindari – Cefalù – Castellbuono – Isnello – Monreale – Palermo
Gefahrene Kilometer: 1380 km (ohne Anfahrt)
Frequentierte Camping-/Stellplätze: Camping Degli Ulivi (Palermo-Sferracavallo, IT) – Camping Village El Bahira (San Vito Lo Capo, IT) – Camping Village La Pineta (San Vito Lo Capo, IT) – Camping Lilybello Village (Marsala, IT) – Camping Valle dei Templi (Agrigento, IT) – Agriturismo Gigliotto (San Michele di Ganzaria, IT) – Scarabeo Camping (Punta Braccetto, IT) – Camping Sabbiadoro (Avola, IT) – Camping Jonio (Catania, IT) – Rifugio Sapienza (Nicolosi, IT) – Camping Villaggio Marinello (Olivieri, IT) – Camping Costa Ponente (Cefalù, IT)
Einleitung
In dem von den Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsalino 1986 geführten Maxi-Prozess war es nicht gelungen, die Cosa Nostra zu zerschlagen. Beide Richter bezahlten 1992 bei Anschlägen ihren Einsatz gegen das organisierte Verbrechen mit dem Leben. Noch heute sollen 80 Prozent der Gewerbetreibenden in Palermo Schutzgelder an die Mafia zahlen. Entsprechend konditioniert machten wir uns auf den Weg zu unserer Fähre nach Palermo in Genua.
1. Tag – Palermo
Palermo präsentierte sich uns laut, farbenfroh und voller Leben. Der konstante Mix aus Prunk und Verfall hat uns immer wieder fasziniert. In ihrer wechselvollen Geschichte von den Griechen, Römern, Arabern und Spaniern besetzt, fühlten wir uns auf unserem Erkundungsgang durch die Stadt wie auf einer Zeitreise.
Eingestiegen in das Abenteuer sind wir bei der orientalisch anmutenden Kirche San Giovanni degli Eremiti mit ihren roten Kuppeln. Vorbei am Palazzo dei Normanni, dem einstigen Königspalast, wo Kaiser Friedrich II. aufwuchs, führte uns die Erkundung auf der Via Vittorio Emanuele zur Kathedrale Maria Santissima Assunta mit ihren Königsgräbern der normannischen und staufischen Dynastie.
Direkt vor dem Rathaus, dem Palazzo delle Aquile, bestaunten wir die lasziven Nymphen, Flussgötter und Tritonen der Fontana Pretoria, auch bekannt als Skandalbrunnen wegen der vom Bildhauer Francesco Cammilliani zur Schau gestellten Nacktheit.
Nach dem Durcheinander von Menschen, Stimmen, Farben und Gerüchen auf dem Ballarò-Markt zog es uns ins La Kalsa, dem einstigen Viertel der Aristokraten und besseren Gesellschaft von Palermo. Nach dem sprichwörtlichen Niedergang der Aristokratie, nach Kriegen und Erdbeben galt der zuletzt von Armut und Verfall geplagte Stadtteil lange Zeit als Mafia-Hochburg.
Anfänglich war es uns schon etwas mulmig zumute im La Kalsa. Nur wenige Touristen begegneten uns auf unserem Streifzug durch dieses Quartier. Eigentlich zu unrecht, denn inzwischen sind zahlreiche Palazzi restauriert worden, Kultur und Kunst mit der Galleria Regionale Siciliana wieder eingezogen und machen La Kalsa zu einem aufregenden Viertel.
Spätestens bei einer Pizza Antica und einem hervorragenden Glas Weisswein in der legendären Antica Focacceria S. Francesco beruhigten sich auch unsere Gemüter wieder. Das Lokal war übrigens eines der ersten, welches sich gegen die Schutzgeldzahlungen der Mafia gewehrt hat. Früher soll vor dem Lokal ein Carabinieri-Wagen Wache geschoben haben. Diese Zeiten scheinen glücklicherweise vorbei zu sein.
2. Tag – Durch Castellamare del Golfo nach San Vito Lo Capo (98 km)
Bevor wir von unserem Camping in Sferrocavallo losgefahren sind, haber wir als erstes auf unserem Navi die Funktion „Autobahn vermeiden“ eingeschaltet. Damit war sichergestellt, dass wir von unserem kleinen Helfer auf die aussichtsreiche Panoramastrasse SS 113 nach Castellamare del Golfo gelotst wurden.
Um diese Jahreszeit ist der bei den Italienern überaus beliebte Ferienort mit seinem antiken Hafen sehr beschaulich. Wir konnten das entspannte Durchatmen der Einheimischen nach einer anstrengenden Saison förmlich spüren. Sogar die Parkautomaten waren bereits ausser Betrieb, was uns genügend Zeit gab, ohne Hast durch die Altstatt ans Ende der Felsennase zu schlendern. Hier befindet sich ein Kastell aus dem 14 Jhd., welches in der jüngeren Zeit zusammen mit anderen Teilen der Stadt zum Schauplatz zahlreicher Filme wurde; zuletzt in Ocean’s Eleven.
Zurück auf der jetzt steil ansteigenden SS 113 kam es auf der Aussichtsplattform oberhalb Castellamare zu einer herzlichen Begegnung mit Edita. Ursprünglich aus Polen zusammen mit ihrem Mann, einem Informatiker, eingewandert, bewirtschaftet sie heute über 600 Granatapfelbäume. Neben den rubinroten Früchten, welche einen supergesunden Saft abgeben sollen, bietet sie auch gleich noch Setzlinge an. Weil wir unsere mehrwöchige Reise durch Sizilien gerade erst begonnen hatten, entschieden wir, es vorerst bei Granatäpfeln zu belassen.
3. Tag – Riserva Naturale dello Zingaro (16 km)
Beinahe wäre dieses Idyll in den 1980er-Jahren einer Panoramastrasse zum Opfer gefallen. Sizilianischen Umweltschützern ist es zu verdanken, dass Lo Zingaro 1981 zum ersten Naturschutzgebiet von Sizilien wurde.
Das 1600 ha grosse Reservat zwischen S. Vito lo Capo und Scopello kann auf drei gut markierten Routen erkundet werden. Wir entschieden uns für den Sentiero Prinzipale, den Hauptweg. Dieser verläuft mit leichten An- und Abstiegen etwas oberhalb der Küstenlinie.
Unsere Wanderung bot immer wieder grandiose Ausblicke auf die hochaufragenden Berge und das fast karibikblaue Meer mit traumhaften kleinen Badebuchten. Willkommene Pausen boten die Museen entlang des Weges. Hier erfährt man zum Beispiel, was alles aus der Zwergpalme, der Wappenpflanze des Lo Zingaro, hergestellt werden kann. Aus den Fasern der Palme werden zum Beispiel Matten und Körbe geflochten. Oder wie aus der Manna-Esche bis ins 19. Jhd. durch das Anritzen ein begehrter Süssstoff gewonnen wurde.
Aus S. Vito lo Capo kommend, haben wir unsern Camper vor dem Eingang zum Reservat geparkt. Der Eintritt kostete uns 5 Euro pro Person. Was man unbedingt bei warmen Temperaturen dabei haben sollte, sind Trinkwasser und Badehosen.
4. Tag – Mandelgebäck aus Erice
Auf engen Kehren ging es hinauf nach Erice, das auf einer imposanten Bergkuppe in 751 Meter Höhe thront. Erice ist bekannt für eine gigantische Aussicht, seine mittelalterlichen Gassen, das normannische Kastell und vor allem für sein Mandelgebäck. Wem die Anfahrt auf der engen Passstrasse zu anstrengend ist, kann in Trapani eine Gondelbahn besteigen und sich in luftiger Höhe in 10 Minuten nach Erice fahren lassen.
Wer keine Allergieren auf Nüsse hat, dem möchten wir das oben erwähnte Mandelgebäck empfehlen. In zahlreichen Konditoreien (pasticceria) werden diese Spezialität in verschiedenen Variationen angeboten. Mit etwas Glück darf man den ZuckerbäckerInnen auch bei der Herstellung zusehen.
Weiter ging es nach Trapani. Die Stadt verdankt ihren Namen den Griechen, die sie wegen der Form ihrer Landzunge „drepanon“, Sichel, nannten. Wirtschaftliche Grundlage für den Wohlstand waren der Fischfang und die Salzgewinnung. In jüngster Zeit hat auch der Tourismus an Bedeutung gewonnen. Heute kommen die Besucher, um die Barockpalazzi und -kirchen entlang der Via Garibaldi und dem Corso Vittorio Emanuele zu bewundern. In der Eiche des Barocks erlebte auch die Korallenverarbeitung ihre Blütezeit. Die Kunstfertigkeit der Handwerker von damals und heute können im Museo Regionale Pepoli oder in den Schaufenstern der wenigen noch übrig gebliebenen Schmuckhändler bewundert werden.
Unsere nächste Station machten wir in der Saline Ettore Infersa kurz vor Marsala an der SP21. In der Schwemmlandebene der Westküste glitzern seit dem 15 Jhd. die weit verzweigten Salinen. Dazwischen stehen Windmühlen mit roten Dächern, welche uns ein wenig an die Mühlen in der spanischen Mancha und seine Protagonisten erinnerten.
5. Tag – Zum Marsala nach Marsala
Diese Präposition hat schon ihre Richtigkeit. Doch bis wir uns mit der Spezialität der Region eindecken konnten, die Cantine Florio öffnete am Nachmittag erst um 15:30 Uhr, mussten wir noch etwas Zeit totschlagen. Eine Besichtigung der Stadt Marsala lag somit auf der Hand.
Die von den Phönizieren gegründete Stadt verdankt ihren Namen den Arabern, die sie Marsal-Allah, Hafen Gottes, nannten. Wir parkten unseren kleinen Camper unweit der Piazza Vittoria. Von hier ging es auf der Via XI Maggio zum Dom der Stadt. Die Strasse verdankt ihren Namen Giuseppe Garibaldi, der in am 11. Mai 1860 mit seinen Truppen in Marsala gelandet war und damit die italienische Einigungsbewegung in Gang gesetzt hatte.
Durch den Mercato Antico mit seinen Fischverkäufern und nach einem kurzen Abstecher zur Porta Garibaldi ging es durch verwinkelte Gassen zum ehemaligen Karmeliterkonvent an der Piazza Carmine. An den Klostermauern und in den schön renovierten Räumen entlang des hübschen Kreuzgangs zeigen verschiedene Künstler ihre Werke.
In den ehemaligen Kellereien von Baglio Anselmi ist heute das Mueseo Archeologico untergebaracht. Neben zahlreichen Amphoren und Ausgrabungsgegenständen der Antike bis zur Römerzeit befindet sich hier die Teilrekonstruktion eines 35 m langen phönizischen Kriegschiffes, welches in den Punischen Kriegen bei einer entscheidenden Seeschlacht vor Mozia gesunken war. Hinter dem kleinen Park des Museums durften wir in Mitten von Brachland einige Ausgrabungen aus der Zeit der Römer bewundern.
Die Kellereien der Cantine Florio mit anschliessender Verkostung können nur gegen Voranmeldung besichtigt werden. Am besten macht man das am Vorabend. So begnügten wir uns mit einem Streifzug durch die Enoteca, welche u.a. eine reiche Auswahl an süssen und trockenen Marsalas aus eigener Produktion anbietet. Nachdem der Liverpooler Händler John Woodhousevon neben Portwein und Sherry bereits ab 1773 auch den Marsala nach England importierte, war es Vincenzo Florio, der als erster Italiener 1832 gross ins Marsalageschäft einstieg.
6. Tag – Selinunte und die Kalkfelsenklippe von Eracla Minoa (157 km)
Zuerst führte uns die heutie Etappe zu den Ausgrabungen von Selinunte. Das Ausgrabungsgelände mit seinen bedeutenden Tempeln zählt für uns zu den faszinierendsten archäologischen Stätten Siziliens. Dank den fruchtbaren Böden, reichlich Süsswasser und zwei Naturhäfen brachte es die um 628 v. Chr. gegründete Siedlung auf zweitweise über 100’000. Einwohner. Zum Verhängnis wurde Selinunte seine Grenzlage zu den Phöniziern, welche die Stadt um 409 v. Chr. nach neuntägiger Belagerung eroberten und dabei grösstenteils zerstörten.
Vom Parkplatz beim Eingang der Anlage bogen wir zuerst zum östlichen Tempelfeld ab. Inmitten von Trümmern, die wie Bauklötze von Riesen über das Gelände verteilt sind, kamen wir zum ersten Tempel, der vermutlich der Göttin Hera geweiht war.
Vorbei an wild spriessendem Sellerie (griech. Selinon), welcher der Stadt den Namen gab, führte uns ein Spazierweg hinauf zur Akropolis. Umgeben von einer einst mächtigen Wehrmauer und in den Überresten von Häusern erhebt sich im Zentrum der Akropolis der Herakles-Tempel. Dank seiner Lage hat man von hier einen wunderbaren Weitblick auf den darunter liegenden Küstenabschnitt und den Badeort Marinella di Selinunte.
Nicht nur einer der schönsten Badestrände Siziliens und einige bereits freigelegte Überreste einer griechischen Sieldung lohnen auf dem Weg nach Agrigento einen Abstecher nach Eracla Minoa. Besonders beeindruckt haben uns die schroff zum Meer abfallenden Kalksteinklippen unterhalb der einstigen Tochterstadt von Selinunte. Caspar David Friedrich hätte nach den Kreidefelsen von Rügen hier sicher eine weitere Inspiration gefunden.
7. Tag – Valle dei Templi von Agrigento
Das Valle (wie es die Einheimischen nennen) liegt auf einem steil aufragenden Felskamm und beherbergt die antike Stadt Akragas. Reiseführer empfehlen den Besuch am frühen Morgen mit seiner „noch einsamen Stille“ oder am Abend, wenn kurz nach Sonnenuntergang unzählige Scheinwerfer die Tempel in ein romantisches Licht tauchen.
Wir entschieden uns für den frühen Morgen. Was wir jedoch nicht wussten, war, dass immer am ersten Sonntag des Monats der Eintritt frei ist. Hinzu kam, dass heute die Associazione Nazionale Bersaglieri im Rahmen eines nationalen Events mit zahlreichen Militärkapellen auf dem Gelände aufspielte. Für Trubel war also gesorgt.
Doch wieder zurück zu der um 582 v. Chr. von Siedlern aus nahen Gela und Rhodos gegründeten Stadt Akragas. Als wir kurz nach 9 Uhr vom Kassenhaus an der Porta V beim kostenpflichtigen Parkplatz vorbei zum Dioskuren-Tempel hinaufstiegen, war die Welt noch in Ordnung und wir so ziemlich die einzigen Touristen.
Von hier führte uns der Weg zum Trümmerfeld des Zeus-Tempels. Der Tyrann Theron hatte einst diesen gigantischen Tempel nach dem Sieg bei Himera bauen lassen. Von den Telamonen, 8 m hohe Giganten, die mit Gesichtszügen der bei der Schlacht besiegten Karthagern versehen, den Dachaufbau des Tempels zu tragen hatten, konnten wir heute noch zwei davon in liegender Position bestaunen.
Jenseits der Brücke über die Verbindungsstrasse nach Agrigento streiften wir um den Herakles-Tempel aus dem frühen 5 Jhd. v. Chr. Von der Ringhalle aus 6 x 15 Säulen wurden einige im 19. Jhd., andere erst um 1924 wieder aufgerichtet. Wie die antiken Baumeister beim Bau vorgegangen sind, geben die über das Gelände verteilten Rekonstruktionen ausführlich Auskunft.
Der Concordia-Tempel etwas weiter oben gilt zusammen mit dem Haphaistos-Tempel in Athen und dem Poseidon-Tempel in Paestum als einer der am besten erhaltenen Tempel der Antike. Seinen guten Zustand verdankt der Tempel der Umwandlung in eine Kirche. Davon zeugen heute die zugemauerten Säulenzwischenräume und die mit Bögen durchbrochenen Cellawände. Ein wahrer Publikumsmagnet und beliebtes Fotomotiv ist eine vor dem Tempel abgelegte Skulptur des polnischen Künstlers Igor Mitoraj.
Geradezu gefangen waren wir von der Grossartigkeit des majestätisch auf einem Hochplateau thronenden Hera-Tempels. Leider hat auch er nach achtmonatiger Belagerung der Eroberung, Plünderung und Zerstörung durch die Karthager um 405/406 v. Chr. nicht standgehalten.
8. Tag – Cultural Farm in Favara und Agrigento (20 km)
Heute stand die erste Kunstkommune Siziliens auf dem Programm. Doch bis es soweit war, mussten wir zuerst die Verwirrung unseres Navi auflösen. Die vielen engen Gassen von Favara brachten unseren Assistenten völlig aus dem Konzept. So entschieden wir uns, das Fahrzeug in einer Seitenstrasse abzustellen und unser Glück zu Fuss zu versuchen. Daher unser Tipp: grössere WoMos besser ausserhalb der Altstadt parken.
Und tatsächlich fanden wir das Kulturelle Zentrum an einer Seitengasse zwischen bröckelnden Fassaden unweit der Chiesa Madre di Favara. Obwohl gemäss Reiseführer täglich geöffnet, schienen sich die Künstler nach einem anstrengenden Wochenende am Montag eine Ruhepause zu gönnen. Dafür konnten wir einige der interessanten Objekte ungestört betrachten und fotografieren.
Ziel des Projektes des Künstlerpaares Andrea Bartoli und seiner Frau Florinda Saieva ist es, ihrer Heimatstadt und der Jugend von Favara eine neue Zukunft zu geben. Nach unserem heutigen Besuch finden wir, dass sie schon viel erreicht haben. Vielleicht müsste als Nächstes die Altstadt noch besser in das Konzept integriert sowie eine entsprechende Infrastruktur für die Besucher geschaffen werden.
So blieb uns noch genügend Zeit für den ungeplanten Besuch von Agrigento, welches seine Bekanntheit den einzigartigen Tempeln des Valle dei Templi verdankt. Dank etwas Glück fanden wir trotz extremer Verkehrsdichte unterhalb der Piazza Luigi Pirandello einen Parkplatz für unser kleines WoMo. Von hier stiegen wir immer weiter die Treppen hinauf zur höchsten Stelle der Altstadt mit der einst von den Normannen errichteten Kathedrale von San Gerlando.
Glücklicherweise hat man bei der Restauration nach einem Erdrutsch im Jahre 1966 sowohl Teile der mit Heiligen- und Apostelfiguren bemalten Balkendecke aus dem frühen 16. Jhd. sowie den üppig dekorierten Chor mit vergoldeten Engeln und Girlanden im barocken Stil belassen.
Eigentlich hätte die quer durch die am Fusse der Altstadt führende Via Atenea das Zeug zu einer Flanierstrasse. Dummerweise machen auch hier der Verkehr den Gang auf dieser Strasse zu einem regelrechten Spiessrutenlauf. Die so ausbleibenden Touristen haben deshalb schon manchen Ladenbesitzer zur Aufgabe gezwungen. Praktisch an jedem zweiten Schaufenster klebt ein Schild mit den Worten „per affittare“, zu vermieten.
9. Tag – Der Nabel Siziliens und zu Besuch bei den Römern (148 km)
Umgeben von einer baumlosen Hügellandschaft auf gut 1000 m liegt Enna, die höchste Provinzhauptstadt Siziliens. Dank ihrer strategischen Lage und umgeben von grossen Landgütern wurde die Stadt schon von den Griechen und später den Römern als Kornkammer Siziliens sehr geschätzt.
Vorbei an Enna Bassa, mit seinen tristen Bauten fuhren wir gleich die Serpentinen hoch zum höchsten Punkt von Enna Alta. Hier, neben einem gebührenfreien Parkplatz, befinden sich die Überreste des Castello di Lombardia, welches unter dem Normannen Roger I zu einem der grössten Kastelle des Landes ausgebaut wurde.
Bei kühlen 10 Grad und einer frischen Brise ging es in wenigen Schritten zur etwas tiefer liegenden historischen Altstadt mit ihren Palazzi, Kirchen und dem innen reich verzierten Dom. Zwischen den Häuserzeilen erhaschten wir immer wieder einen fantastischen Ausblick auf das Umland und das gegenüberliegende Calascibetta. Bei guter Sicht soll man von Enna aus sogar den Ätna im Osten und Erice im Westen sehen können.
Die 6 km entfernte Villa Romana del Casale gilt neben dem Dom Maria Santissima delle Vittorie als die berühmteste Attraktion von Piazza Armerina in Zentralsizilien. Bis heute ist nicht geklärt, ob die Villa aus der späten Phase des Römischen Reichs einem römischen Kaiser oder dem Gouverneur von Sizilien gehört haben soll. Die Einzigartigkeit des UNESCO Weltkulturerbes liegt jedoch nicht in ihrer Grundfläche von 3500 m2 sondern in den filigranen Bodenmosaiken.
Wie die Besucher in der Antike betraten auch wir die Villa durch das Atrium. Bereits hier bekamen wir einen ersten Eindruck von den mit viel Liebe zum Detail in kleinen farbigen Steinen gestalteten Geschichten aus der römischen und griechischen Sagenwelt.
Das sich ans Hauptgebäude anschliessende Triclinium, der Speisesaal, in dem die Familie und ihre Gäste auf Klinen (Speiseliegen) zu Tische lagen, war wegen Restaurationsarbeiten leider geschlossen. So „begnügten“ wir uns mit den Mosaiken der kleinen und der grossen Jagd im Gästetrakt und im 70 m langen Wandelgang. Auch die bekanntesten Figuren der Villa, die blondgelockten „Bikinimädchen“, welche in sportlichen Disziplinen miteinander wetteifern, konnten wir ungehindert bewundern.
Einem Erdrutsch im 12. Jhd. ist es zu verdanken, dass sich die Mosaike über die Jahrhunderte so gut erhalten haben. In satten Farben präsentieren sich in den ehemaligen Privaträumen der Hirtengott Pan oder die List Odysseus, der den Zyklon mit Wein berauschte. Im Schlafgemach neben der Basilika, dem Raum für die grossen Empfänge, schmückt eine zarte Liebesszene eines der Schlafgemächer.
Den krönenden Abschluss des Tages bildete der Besuch der Weinkellerei Gigliotto. Das feudale Weingut bei San Michele die Ganzaria unweit von Piazza Armerina blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits im 13 Jhd. wurden hier Rebstöcke und Olivenbäume kultiviert. Neben einigen hervorragenden Weissweinen hat uns auch der nach bioorganischen Prinzipien hergestellte Merlot „Rossomano“ besonders gut gefallen. Da wir auf dem Stellplatz des Weinguts auch die Nacht verbrachten, war das kein Problem.
10. Tag – In die Städte des Keramik, des Barocks und der Schokolade (138 km)
Caltagirone wurde im 9. Jhd. von den Arabern gegründet, die hier eine Festung (Qalat-al-Ghiran / Burg über den Hölen) errichtet haben. Seit dem 15 Jhd. ist die Stadt wegen den reichen Tonvorkommen bekannt für seine Töpferkunst und gilt daher in ganz Sizilien als Citta della Ceramica. Rund um die Piazza Umberto I. mit dem im 18. Jhd. umgebauten Dom reiht sich eine Keramikmanufaktur an die nächste. Ein wahrer Besuchermagnet in der Hauptsaison ist die Freitreppe Scala di Santa Maria del Monte, deren 142 Stufen Hunderte von Majolikafliesen schmücken.
Anschliessend fuhren wir weiter nach Ragusa, welches nach dem grossen Erdbeben von 1693 gleich zweimal wieder aufgebaut wurde. Ragusa Alta auf der einen Hügelkuppe und Ragusa Ibla auf der anderen Seite der Talsenke. Letztere wurde in ganz Italien auch bekannt durch die TV-Serie Commissario Montalbano, der literarischen Figur des Autors Andrea Camilleri.
Weil man von der Kirche S. Lucia den besten Überblick auf Ragusa Ibla hat, bestiegen wir vom Parkplatz (hier die GPS-Koordinaten: N 36°55’30.6“ O 14°44’11.6) zuerst die Treppen hinauf zur Oberstadt. Anschliessend ging es den von Serpentinen unterbrochenen Treppenweg hinunter zum Palazzo Cosetini mit seinen erheiternden Fabelwesen an der Fassade.
Das Herzstück von Ragusa Ibla ist der Duomo S. Giorgio, gestaltet im Stil des Barocks von Rosario Gagliardi. Eine steile Freitreppe führt hinauf zur fast schwebenden Einturmfassade mit ihren Säulen und üppigen Voluten. In der Eisdiele di Vini an der Piazzo Duomo, wo sich der Commissario Montalbano oft mit seinen Kollegen trifft, genehmigten wir uns eine der feinen Eiskreationen. Nach einem kurzen Abstecher zu einer weiteren von Gagliardi gestalteten Kirche an der Piazza Pola bestaunten wir auf dem Rückweg zum Parkplatz die in grotesken Zügen verewigten Musikanten und den Mann mit Brille am Palazzo Rocca.
Lust auf noch mehr Süsses? Das weit über seine Grenzen hinaus für seine Schokolade berühmte Barockstädtchen Modica lag glücklicherweise am Weg nach Punta Braccetto mit unserem Camping für die kommenden Tage. Noch berauscht von der barocken Schönheit von Ragusa Ibla begnügten wir uns in Modica mit einem kurzen Bummel entlang des Corso Umberto I. und seinen zahlreichen Einkaufsadressen für die nach einem traditionellen Rezpet ohne starke Erhitzung hergestellte Schokolade. Selbstverständlich verfügt Modica noch über weitere Attraktionen. Einen guten Überblick über diese und weitere Sehenswürdigkeiten auf Sizilien bietet der von uns auf dieser Tour oft konsultierte Dumont Reiseführer.
Die wohl bekannteste Cioccolateria ist die Bodega Sicula, welche zu der hier hergestellten Schokolade mit ihrer körnig-krümeligen Konsistenz auch gleich die dazu passenden Weine anbietet. Sie befindet sich ebenfalls am Corso Umberto I gegenüber dem unübersehbaren Duomo S. Pietro. Persönlich am besten geschmeckt haben uns aber die Kreationen von DON cioccolato am Corso Umberto I. 110.
11. Tag – Ein Tag am Strand von Punta Braccetto
Nach bald zwei spannenden Wochen auf Tour durch das westliche Sizilien war es höchste Zeit, die Seele auch einmal etwas baumeln zu lassen. Von unserem Camping hatten wir einen direkten Zugang zum schönen, flach abfallenden Badestrand von Punta Braccetto. Ein ausgiebiges Bad im noch warmen Meer wollten und konnten wir uns nicht entgehen lassen.
12. Tag – Das aristokratische Ambiente von Donnafugata (36 km)
Der Name des Schlosses unweit des Campings ist aus dem arabischen „Ayn as Jafat“ (Quelle der Gesundheit) abgeleitet. Im lokalen Dialekt mit „Ronnafuata“ interpretiert, wurde dann im italienischen das „Donnafugata“.
Das Anwesen mit seinem Wachturm aus dem 7 Jhd. wurde nach dem Kauf durch Vincenzo Arezzo um 1648 und später von seinen Nachkommen kontinuierlich zur heutigen Grösse ausgebaut. Der Park, die gotisch-venezianisch inspirierte Fassade und die Einrichtung stammen grösstenteils aus der Zeit von Baron Corrado Arezzo de Spuches (1824 – 1895).
Das Schloss verfügt über rund 30 Räume. In 20 der Zimmer mit Böden aus schwarzem Pechstein konnten wir heute, wie schon von Guiseppe Tomasi di Lampedusa in seinem Roman „Der Leopard“ beschrieben, das Ambiente der Wohnkultur der sizilianischen Aristokratie des 19 Jhd. auf uns wirken lassen.
Mit diesen Eindrücken viel uns die Vorstellung leicht, wie die noblen Damen und Herren einst nach einem üppigen Mal die grosse Treppe hinunter stiegen, um im angeschlossenen Park bei einer gesitteten Konversation die Verdauung anzuregen. Wie vermutlich schon damals, hatten auch heute einige der Besucher etwas Mühe, den Ausgang aus dem steinummauerten Labyrinth zu finden.
Gerne verweilten wir nach der Besichtigung noch einige Zeit in der Trattoria des Schlosses. Besonders empfehlen können wir eines der Pastagerichte und den ausgezeichneten Hauswein aus Trauben der Region. Auf ein mehrgängige Menu mit Antipasto, Primo und Secondo für nur 20 Euro sollte man sich nur einlassen, wenn mann über grossen Appetit verfügt. Die servierten Portionen sind wirklich grosszügig.
13. Tag – Ein weiterer Ruhetag
Im Wissen um das noch Anstehende und wegen des weiterhin sehr sonnigen und warmen Wetters, entschieden wir uns spontan, noch einen weiteren Tag am Strand von Punta Braccetto anzuhängen.
14. Tag – Noto (84 km)
Genug ausgeruht! Die Vorfreude auf neue Abenteuer drängte uns, unsere Tour entlang der Küste von Sizilien fortzusetzen. Unser heutiges Ziel hiess Noto, mit Sicherheit eine der schönsten Städte des sizilianischen Barocks. Im Licht eines praktisch wolkenlosen Himmels schien die Stadt wie in Gold getaucht.
Durch die Porta Reale führte uns der Corso Vittorio Emanuele, die eigentliche Lebensader der Stadt, in Richtung der grandiosen Piazza Municipio, welche von der geschwungenen Säulenhalle des Palazzo Ducezio und der breiten Doppelturmfassade des Duomo Santi Nicola e Corrado flankiert wird.
Einen wunderbaren Überblick auf den Domplatz, mit den zwei Brunnenanlagen und der breiten Freitreppe hinauf zur barocken Fassade des Doms, bot sich uns vom Turmdach (zugänglich für 2 Euro) der ehemaligen Klosterkirche Chiesa die Santa Chiara.
Weiter führte uns der Rundgang auf der steil ansteigenden Via Nicolaci vorbei am Palazzo Nicoalci di Villadorata, dessen Konsolen Putti, Nixen, geflügte Pferde, Löwen und Fabelwesen schmücken. Von der Oberstadt hat man an verschiedenen Stellen einen grandiosen Panoramablick auf die ganze Stadt und das Umland.
15. Tag – Siracusa-Ortygia (44 km)
Wer am frühen Morgen, sagen wir so um 9 Uhr, die Altstadt von Siracusa auf der vorgelagerten Insel Ortygia anfährt, hat noch gute Chancen, einen Parkplatz zu finden. In Ortygia liegt der Ursprung des antiken Syrakus. Die heute über einen Damm mit der Neustadt von Siracusa verbundenen Insel gehörte mit zu den ersten Siedlungen griechischer Kolonien auf Sizilien.
Unweit des Mercato konnten wir die Händler hören, welche lautstark ihre Waren anpriesen. Auch bei den Überresten des Tempio des Apollo, des ältesten Ringhallentempels Siziliens (Anfang 6. Jhd. v. Chr.) waren um diese Uhrzeit erst wenige Touristen anzutreffen.
Über den breiten Corso Matteotti gelangten wir zur Piazza Archimede, deren Brunnen die Geschichte von Arethursa abbildet. Diese griechische Nymphe wurde der Legende nach vom Flussgott Alpheus einst stürmisch bedrängt.
Über die Via C. Matteotti führte uns ein Rechtsschwenk zur grossen Piazza mit der mächtig aufragenden Barrockfassade des Duomo S. Maria delle Colonne. Die Piazza vor dem Dom bildet seit über 2700 Jahren den religiösen Mittelpunkt der Stadt.
Nur wenige Schritte weiter stiessen wir auf die idyllische Fonte di Aretusa, einer Süsswasserquelle unmittelbar am Meer. Geologen gehen davon aus, dass diese mystisch anmutende Quelle ihren Ursprung in den Monti Iblei (Hybläischen Berge) und sich schon vor langer Zeit einen unterirdischen Weg durch die höher gelegenen Karstflächen gebahnt hat.
Weiter durch die verwinkelten Gassen bummelnd kamen wir zum Castello Maniace am äussersten Ende der Halbinsel. Es wurde um 1038 vom Feldherrn Maniakes angelegt und später von Friedrich II. zum Festungs- und Königspalast ausgebaut.
16. Tag – Parco Archeologico von Siracusa (42 km)
Auch wenn man in den Ausgrabungen von Selinunte oder im Valle dei Templi schon auf eindrückliche Weise mit der Antike in Berührung gekommen ist, sollte man sich diesen Park nicht entgehen lassen. Zum einen konnten wir das Anfiteatro Romano, einem riesigen ellipsenförmigen Bau, welcher kaum kleiner ist, als das Kolosseum in Rom oder die Arena von Verona, bestaunen.
Zum anderen war da noch der Altar Hierons II. mit einer Länge von 198 m und Breite von 22.8 m, welcher in Erinnerung an die Vertreibung des Tyrannen Thrasybulos 466 v. Chr. errichtet worden war. Hier sollen alljährlich an die 400 Stiere geopfert worden sein.
In einer Oase gleich gegenüber wurde ab dem 6. Jhd. vor Chr. von Sklaven der weiss-graue Kalkstein abgebaut. Hier befindet sich auch das geheimnisumwitterte Orecchio di Dionisio, das Ohr des Dionysios, einer 23 m hohen Grotte, welche in den Kalktuff geschlagen wurde. Der Legende nach soll der Tyrann Dionysios die besondere Akustik in der Grotte dazu benutzt haben, die Sklaven im Steinbruch zu belauschen.
Ein weiteres Highlight des Parks ist das Teatro Greco. Es gilt mit einem Durchmesser von 138 m und geschätzten, aus dem Fels herausgehauenen 15000 Sitzplätzen, neben dem Theater von Athen als das grösste in der antiken Welt. Im Unterschied zu damals achten heute aufmerksame Parkwächter strickt darauf, dass sich niemand auf den Sitzplätzen niederlässt. Das ist nur gestattet, wenn man eines der hier in jüngster Zeit wieder aufgeführten klassischen Stücke der Antike besucht.
17. Tag – In Richtung Catania (82 km)
Die nur am Vormittag geöffnete La Pescheria in Catania gilt als der bunteste und quirligste Fischmarkt von ganz Sizilien. Deshalb entschieden wir uns, bereits einen Tag früher anzureisen. Die knapp 80 km entlang des Golfes von Catania waren rasch zurückgelegt. Das verschaffte uns noch etwas Zeit für weiteres ein Bad im Meer. Unser Camping für die kommenden zwei Nächte befindet sich an der Riviera dei Ciclopi etwas nördlich von Catania. Über in das lavaschwarze Felsufer gehauene Treppen bietet er einen direkten Zugang zum Wasser. Was will man mehr?
18. Tag – Ein Tag in Catania
Catania, 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt, wurde 1669 zuerst von einem verheerenden Vulkanausbruch des Ätna heimgesucht und wenig später 1693 wie der Rest der Südküste Siziliens durch ein starkes Erdbeben vollends zerstört. Wenn also die Cataneser nach den beiden Katastrophen von etwas genug hatten, war das der dunkle Lavastein. Daraus bauten sie unter der Leitung des Baumeisters Giovanni Battista Vaccarini im 18 Jhd. eine prächtige Barockstadt.
Bereits am frühen Morgen machten wir uns von unserem Camping auf den 10-minütigen Fussweg zu unserem Bus ins Zentrum von Catania. Die Tagestickets kauften wir in der Tabacceria neben der Haltestelle. Mit dem Bus der Linie 448 ging es dann ohne umsteigen zu müssen bis zur Piazza Stesicoro mit ihren letzten Überresten eines Amphitheaters aus Vulkanstein.
Auf einem kleinen Umweg über die Via dei Crociferi mit ihren wunderschönen Kirchen Chiesa dei Gesuiti und San Benedetto erreichten wir schon bald die Piazza Duomo. Mitten in dem von barocken Bauten gesäumten Platz steht der Elefantenbrunnen mit seinem Lava-Elefanten, der wie bei seinem Pendant in Rom einen Obelisken auf dem Rücken trägt.
Daneben wird die Piazza vom Duomo Sant’Agata beherrscht. Die einstige Wehrkirche der Normannen, gut sichtbar sind die restlichen Mauerfragmente im Inneren der Kirche sowie auf der Rückseite des Kolosses, wurde ebenfalls im 18. Jhd. nach den Plänen von Vaccarini neu gestaltet. Neben den Reliquien der Stadtpatronin beherbergt die Kirche auch das Grab von Vincenzo Bellini. Die Oper Norma geht auf das Konto des Belcanto-Komponisten und berühmtesten Sohnes der Stadt.
An der Südwestecke der Piazza Duomo stiegen wir alsbald die Treppe hinunter zur La Pescheria, dem sprichwörtlichen Bauch von Catania. Auf diesem quirligen Markt werden lauthals neben fangfrischem Fisch und anderen Meeresfrüchten, ganze Hälften von Hornvieh, frisches Gemüse und Obst sowie feinste Käsespezialitäten angeboten.
Vom Markt waren es nur wenige Schritte zum Castello Ursino, der staufischen Zwingburg von Friedrich II. Einst lag die Burg mit ihren vier Ecktürmen direkt am Meer. Beim verheerenden Ausbruch des Ätna wurde die Burg sprichwörtlich von der Lava umspült. Selbst der Burgraben wurde dabei grösstenteils ausgeebnet.
Etwas versteckt an der Piazza San Placido hinter dem Dom stiessen wir an einer unscheinbaren und völlig zugeparkten Fassade auf die Pasticeria „I Dolci die Nonna Vincenza“. Hier hätten wir am liebsten all die schön präsentierten Dolci probiert, beliessen es aber dann bei den Minne di Sant’Agata (Brüstchen der heiligen Agathe), einer Variante der berühmten Cassata Siciliana sowie den Cannolis mit Pistazien.
Auf unserem Weg zum Paradies für Schnäppchenjäger rund um die Piazza Carlo Alberto, kamen wir vorbei am Teatro Massimo Bellini, welches 1890 mit der „Norma“ eingeweiht wurde. Gleich daran schliesst das Quartier San Berillo an, welches auch heute noch und trotz dem grossem Engagement seiner Bewohner, die Strassen mit Szenenlokalen und Street-Art neu zu beleben, immer noch das Rotlichtviertel von Catania ist.
Mit einer kurzen Rast im Park der Villa Bellini und einem weiteren Fotostopp an der Piazza dell‘ Università, die wie der Innenhof der 1434 gegründeten Universität ebenfalls von Vaccarini gestaltet wurde, schlossen wir unseren erlebnisreichen Rundgang durch das lebendige Catania ab.
19. Tag – Hinauf zum Ätna (35 km)
Bei strahlendem Sonnenschein und guter Sicht begrüsste uns der Ätna bereits aus der Ferne mit einer dampfenden Wolke. Nachdem wir die dichten Kastanienwälder oberhalb von Nicolosi, dem südlichen Tor zum geschützten Parco dell’Etna, hinter uns gelassen hatten, kamen wir entlang den Serpentinen auf der gut ausgebauten SP 92 dank zahlreichen Ausweichstellen zu etlichen Fotostopps.
Die Anfahrt zum Refugium Sapienza, unserem Hotel für die kommenden zwei Nächte, hatte am Morgen dank des geringen Verkehrsaufkommens auf der Passstrasse, weniger Zeit in Anspruch genommen als erwartet. Da wir das Zimmer erst um 15 Uhr beziehen konnten, machten wir uns gleich auf zu einem Spaziergang zu den Crateri Silvestri, unweit der Talstation der Kabinenseilbahn Funiva dell’Etna und den Besucherparkplätzen.
Von diesen 2001 entstandenen Kratern genossen wir die schönen Ausblicke zur Küste. Die Rundgang half uns auch bei der Akklamation für die bevorstehende Höhenwanderung am nächsten Tag. Schliesslich hatten wir vom Meer her kommend bis zum Refugium innert kurzer Zeit einen Höhenunterschied von gut 1900 m zu verkraften.
20. Tag – Geführte Exkursion zu den oberen Kratern des Ätna
Der Ätna ist ein aktiver Vulkan. Wie bei einem heissen, mit Wasser gefüllten Kochtopf, steigt von seiner Spitze praktisch ohne Unterbrechung eine Dampfwolke gegen den Himmel. In unterschiedlichen Zeitabständen hört man manchmal noch ein Grollen, meist gefolgt von einer braunen, mit Asche gefüllten Rauchwolke. Grosse Ausbrüche, wie 2001, 2002-2003 und 2004 mit oft verheerenden Folgen für die Region, machen sich in der Regel durch erste Eruptionen wenige Tage oder auch nur Stunden vorher bemerkbar. Zu den oberen Lavafeldern und Kratern sollte man daher nur in Begleitung eines Führers wandern. Ganz zur Spitze darf man sowieso nicht ohne Guide. Nur sie sind in der Lage den Vulkan einigermassen richtig zu deuten. Wenn er so aktiv wie heute ist, bleibt die ganze Zone gesperrt.
Wir haben eine Tour beim Anbieter gleich unterhalb des Hotels gebucht. Dieser hätte uns neben Helmen bei Bedarf auch mit Wanderschuhen und warmen Jacken ausgestattet. Denn selbst im Sommer kann es auf 3000 m kalt und windig sein. Mit der Seilbahn und ab der Bergstation im geländegängigen Kleinbussen wurden wir zuerst hinauf zur ehemaligen Berghütte Torre del Filosofo auf 2900 m gefahren.
Von hier durchquerte unsere Gruppe unter Anleitung von unserem Führer Guiseppe ein grösseres Lavafeld unterhalb des aktiven Gipfels im Südosten. In einer Kaldera zeigte er uns die noch gut sichtbaren Spuren des letzten kleineren Ausbruchs vor wenigen Wochen.
Nach weiteren Umrundungen von ruhenden Kratern auf gut 3000 m und der Durchquerung einer mit kleinen runden Steinen, den Lapilli, übersäten Mondlandschaften, begannen wir mit unserem Abstieg zum Grat des Valle del Bove. Dabei handelt es sich um eine Kaldera, welche vermutlich das Resultat unzähliger explosiver Ausbrüche über den Zeitraum von mehreren 10.000 Jahren ist. Wie ein Amphitheater mit gigantischen Ausmassen dehnt sie sich im Halbkreis über eine Länge von über 7 km und weist bis zum Talboden einen Höhenunterschied von über 1000 m aus. Leider hatte der Nebel heute einen Vorhang über das Theater gelegt.
Zum Ende von unserer 5-stündigen Wanderung ging es quasi als „Belohnung“ in einer rasanten Rutschpartie die letzten 500 m steil den Berg hinunter in Richtung Talstation der Seilbahn. Dabei hatten selbst die Mountainbiker Mühe, mit unserem Tempo mitzuhalten.
21. Tag – Taormina und über die Portella Mandrazzi an die Nordküste (135 km)
Unsere erstes Wegstück an diesem Tag führte uns nach Taormina. Dank der geringen Bauhöhe von unserem VW California (1.99 m) konnten wir den Camper im Parkhaus Porta Catania abstellen. Wer mit einem höheren Camper unterwegs ist, parkt das Fahrzeug besser. in Mazzaro unterhalb von Taormina. Von dort verkehrt eine Gondelbahn nach Taormina Centro. Oder man fährt zu einem der Stellplätze in der Umgebung und nimmt den Bus ins Zentrum.
Durch die Porta Palermo betraten wir den Corso Umberto, der autofreien Fussgängerzone von Taormina. Auf der von Strassencafés gesäumten Piazza IX. Aprile mit dem Dom und seinem barocken Portal bzw. ihrer Aussichtsterrasse mit freiem Blick auf den rauchenden Ätna, gönnten wir uns den ersten Cappuccino des Tages.
Wie einst Johann Wolfgang von Goethe stiegen auch wir zu den obersten Sitzenreihen des Teatro Greco aus dem 3. Jhd. v. Chr. Es ist das zweitgrösste antike Theater Siziliens. Der Ausblick von den „billigsten“ Plätzen auf den Ätna, das glitzernde Meer und Taormina sind durch nichts zu übertreffen.
Die Zeit war gekommen, um uns von der Südküste zu verabschieden. Statt einen Kehr der Autobahn entlang über Messina zu machen, entschieden wir uns, den Camping an der Nordküste über den fast autofreien Pass „Portella Mandrazzi“ und vorbei an Novara die Sicilia anzufahren.
22. Tag – Bootsausflug zu den Inseln Lipari und Vulcano
Bereits um 8 Uhr wurden wir von unserem Fahrer Guiseppe im Camping bei Olvieri abgeholt und ins 20 km entfernte Milazzo gefahren. Hier stand das Ausflugsschiff zu den Äolischen Inseln am Hafen für uns sowie etliche Reisegruppen bereit. Wir hatten eine Tour gebucht, welche uns auf zwei der sechs nach dem griechischen Gott Aeolos benannten Vulkaninseln bringen sollte.
Auf der Fahrt über das Meer nach Lipari führte uns die Bootstour zuerst vorbei an der pittoresken Ortschaft Gelso mit dem antiken Leuchtturm und weiter zur Papst-Johannes Klippe. Im alten Hafen von Lipari, der Metropole der gleichnamigen Insel, legte unser Schiff ein erstes Mal für mehrere Stunden an.
Entlang den Gassen mit unzähligen Boutiquen, Bars und Restaurants stiegen wir gleich hoch zum Burgfelsen mit der Kathedrale San Bartolomeo. Von hier hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Altstadt und den alten Hafen.
Noch vor der Durchsage aus den Lautsprechern des Schiffes bekam unsere Nase die bevorstehende Ankunft auf Vulcano bereits mit. Es roch penetrant nach faulen Eiern. Für eine Wanderung an den Kraterrand hat der Aufenthalt leider nicht gereicht. Aber auch der Spaziergang durch das kleine Städtchen war dank dem permanenten Schwefelgeruch eine ganz neue Erfahrung.
Nur 500 m rechts vom Landungssteg blubbert ein schwefelhaltiges Becken, in welchem sich die Badegäste vergnügen. Wären wir von Haut- oder Rheumaleiden geplagt, hätten wir die Badehosen sicher gerne dabei gehabt. Wer nicht so sehr auf diesen Geruch steht, der nimmt sein Bad besser am nicht weit entfernten schwarzen Strand von Porto Ponente.
23. Tag – Tindari und nach Cefalù (120 km)
Nach einer kurzen Anfahrt auf der SS113 hatten wir bereits am frühen Morgen das weit herum sichtbare Santuario della Madonna del Tindari erreicht. Beim grossen Parkplatz fährt ein kleiner Bus die Besucher für einen Euro zum modernen Wallfahrtszentrum auf dem Hügel. Hier spendet die Schwarze Mutter Gottes allen Hilfesuchenden Trost und neue Hoffnung. Wir hatten Glück und durften auch noch im Inneren des Komplexes die ursprüngliche Pilgerkirche aus dem 16 Jhd. besichtigen.
Von der Piazza Belvedere sind es nur wenige Schritte zu den Ruinen von Tyndaris, einer der letzten griechischen Siedlungen auf Sizilien. Beeindruckt haben uns die Überreste des kleinen griechisch-römischen Theaters. Und sollte den Besuchern damals das dargebotene Stück nicht gefallen haben, boten bei guter Sicht die Liparischen Inseln sicher eine willkommene Ablenkung.
24. Tag – Cefalù
Weil die Innenstadt von Cefalù „offiziell“ für den Autoverkehr gesperrt ist, bestiegen wir etwa 300 Meter von unserem Camping einen Bus der Verkehrsbetriebe von Cefalù. Die genauen Abfahrtszeiten erfährt man an der Rezeption.
Beim Corso Ruggero führte uns zuerst eine Treppe und nach dem Durchschreiten des Tors der Ringmauer ein steiler Bergweg (Wanderschuhe empfohlen) 270 Höhenmeter hinauf zu den Ruinen der Burg. Am Vormittag kann man den Weg noch grösstenteils im Schatten abwandern. So oder so wird man, einmal oben angekommen, mit einer grandiosen Aussicht auf Cefalù und die Küstenabschnitte zu beiden Seiten belohnt.
Auf dem Rückweg entlang der westlichen Seite des gigantischen Hügels aus Muschelkalk konnten wir in den spärlichen Resten einer früheren Siedlung den aus gewaltigen Steinblöcken errichteten Tempel der Göttin Diana bewundern. Etwas weiter unten entlang der ehemaligen Burgmauer kamen wir zu einen freien Blick auf das historische Zentrum von Cefalù und den Normannendom.
Wieder zurück auf dem Corso Ruggero gelangten wir an dessen Ende zu der mit Palmen geschmückten Piazza Duomo mit der imposanten Kathedrale aus dem 12. Jhd. Die vom Normannenherrscher Roger II. in Auftrag gegebene Wehrkirche mit ihren zwei wuchtigen Doppeltürmen, den Rundbogenfriesen und dem Wolfszahnmuster am Hauptportal gilt als eines der imposantesten Beispiele normannischer Baukunst. Im Innern waren es die dreischiffige Säulenbasilika und die Mosaiken im Altarraum, die für 1 Euro noch zusätzlich beleuchtet werden können, welche uns für einen Moment den Atem raubten.
Weiter ging die Erkundung durch die pittoreske Altstadt mit den zahlreichen Geschäften und Restaurants in Richtung Strand. Mehr aus Zufall als geplant stiessen wir kurz vor Ende des Rundgangs an der Via Vitt. Emanuele auf ein altes arabisches Waschhaus mit seinen noch immer plätschernden Brunnen.
25. Tag – Ausflug nach Castelbuono und durch Madonien (58 km)
Das von Olivenhainen, Mandelbäumen und Mannaeschen umgebene Castelbuono im hügeligen Madonien freute sich ganz offensichtlich auf unseren Besuch. Trotz Schlechtwetterprognose leuchte der Ort im schönsten Sonnenschein.
Markanter Orientierungspunkt des hübschen Städtchens und unsere erste Station am heutigen Tag, war das um 1316 erbaute Castello Ventimiglia. In der von Giuseppe Serpotta im prachtvollen Barock gestalteten Kappelle in der zweiten Etage des Kastells werden die Reliquien der hl. Anna, der Schutzpatronin von Castelbuono aufbewahrt. Das angeschlossene Museum beherbergt neben zahlreichen religiösen Artefakten eine Pinakothek mit Bildern und Skulpturen von Künstlern aus der Region.
An Piazza Margherita und dem Rathaus mit ihrer mechanischen Turmuhr, die noch immer jeden zweiten Tag aufgezogen werden muss, kamen wir zu unserem zweiten Höhepunkt des Tages. In der Pasticceria Fiasconaro durften wir von dem mit einer Manna-Paste, hergestellt aus Pistazien und dem süssen Saft der gleichnamigen Esche, bestrichenen Pannetone kosten.
Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch den oberen Stadtteil von Castelbuono meldete sich bei uns der Hunger, welchen wir im für seine Pilzküche bekannten Restaurant U’Trappitu an der Via Sant’Anna mit einem Piatto Busiata Funghi Procini und einem lokalen Weisswein vorzüglich stillen konnten.
Weiter ging die Fahrt ein Stück weit auf der beinahe vergessenen Rennstrecke „Targa Florio“ durch die eindrucksvolle Landschaft der Madonien mit ihren Schluchten und Bergnestern nach Insello. Hier oben scheinen die Uhren noch um einiges langsamer zu gehen als entlang der Küste. Beim beobachten der Bewohner auf der kleinen Piazza fühlten wir uns in die 1960er-Jahre zurückversetzt. Sogar der Pfarrer auf seinem Rundgang durch die Gemeinde begrüsste uns mit einem herzlichen „Salve“.
26. Tag – Letzte Souvenirs und Kontemplation
Noch zwei Tage blieben uns auf Sizilien. Den heutigen Tag haben wir deshalb genutzt, in Cefalù letzte Souvenirs zu kaufen. Gut geschürzt schwelgten wir anschliessend bei einem leckeren Essen in der traditionsreichen Trattoria „I Sapori di Don Cicco“ an der Via Vitt. Emanuele in den Erinnerungen an die vielen Sehenswürdigkeiten und tollen Begegnungen auf unserer Tour.
27. Tag – Über Monreale nach Palermo zur Genuafähre (87 km)
Ein sizilianisches Sprichwort sinngemäss übersetzt lautet: „Wer Palermo, aber nicht Monreale gesehen hat, kommt als Esel und kehrt als Schwein zurück.“ Unsere Fähre nach Genua würde den Hafen erst gegen Mitternacht verlassen, womit uns auf unserer letzten Etappe genügend Zeit blieb, dem Bergstädtchen vor Palermo noch einen Besuch abzustatten.
Die grösste Attraktion und Ziel vieler Tagestouristen ist der Dom von Monreale, die Cattedrale Santa Maria Nuova. Das auf dem 300 m hohen Hügel Monte Reale von König Wilhelm II ab dem Jahre 1172 errichtete sakrale Bau war als Grablege für die normannischen Könige gedacht.
Kaum hatten wir das Innere der Kirche betreten, waren wir überwältigt von den farbenprächtigen Mosaiken. Auf einer Fläche von mehr als 6000 m2 schufen sizilianische und venezianische Mosaikkünstler eine der umfassendsten Bilderbibeln des Mittelalters. Dabei bildeten sie entlang dem Hauptschiff, den Apsiden und im Querschiff in detailreichen Szenen das alte und das neue Testament ab.
Und damit nicht genug. Umrahmt wurde unser letzter Höhepunkt auf Sizilien durch eine feierliche Prozession. Vielleicht sind wir als Esel nach Monreale angereist, aber verlassen haben wir diesen Ort definitiv nicht als solche.
Fazit
Für Sizilien sollte man sich Zeit nehmen. Es gibt auf dieser Insel wirklich viel zu sehen und zu erleben. Wunderbare Küstenabschnitte, pittoreske Ortschaften, kulturelle Zeugnisse aus über 3000 Jahren, sanfte Hügellandschaften und ständig aktive Vulkane bescherten uns in den vergangenen vier Wochen unglaublich viele schöne Eindrücke und unvergessliche Momente.
Und wenn es die Mafia noch gibt, wovon wir ausgehen, dann hat sie sich uns auf der ganzen Tour nie als solche zu erkennen gegeben. Alle Einheimischen, mit denen wir zu tun hatten, waren uns gegenüber stets zuvorkommend und ausgesprochen freundlich. Nie haben wir uns belästigt oder gar bedroht gefühlt.
Wo viel Sonne ist, gibt es natürlich auch Schatten. Da wären zum einen die vielen Abfallberge entlang der Landstrassen. In den Städten und Dörfern einen geeigneten Parkplatz zu finden, war selbst mit unserem kleinen Camper immer wieder eine Herausforderung. Gerade mit einem grösseren WoMo dürften die schmalen Landstrassen sowie die in den Zentren oftmals in zwei Reihen abgestellten Fahrzeuge das Reiseerlebnis etwas eintrüben.
Der Schatten ist jedoch nichts im Vergleich zur kulturellen Vielfalt dieser Insel. Nach dieser Tour können wir gut verstehen, warum so viele Camper auch gerne auf Sizilien überwintern.