Diese Web-Seite inklusive allen Inhalten, Bildern, etc. sowie den Domänen campevita.com / .de / .ch steht zum Verkauf. Für Angebote verwenden Sie bitte das Kontaktformular unter der Menüoption HOME.
Mittwoch, Oktober 9

Tour-Übersicht

Tour-Dauer: 26. Mai – 17. Juni 2019 (23 Tage)

Wegstrecke/Etappenziele: Vyborg – St. Petersburg – Sortavala – Walaam-Insel – Kinerma – Uya – Kishi-Insel – Powenez – Vygostrov – Solovki-Insel – Kandalaksha – Kirovsk – Murmansk

Gefahrene Kilometer: 2240 Km

Frequentierte Camping-/Stellplätze: Stellplatz Hotel Elizar (St. Petersburg, RU) – Stellplatz Hotel Piipun Piha (Sortavala, RU) – Stellplatz in Kinerma (Kinerma, RU) – Stellplatz Baza Otdykha (Uya bei Petrosavorks, RU) – Eko Otel‘ Bol’shaya Medveditsa (Powenez, RU) – NordCamping Belomorsk (Vygostrov, RU) – Stellplatz Yakht-Klub (Kandalaksha, RU) – Stellplatz Polyarno-Al’piyskiy Botanicheskiy (Kirovsk, RU) – Stellplatz Hotel Ogin Murmanska (Murmansk, RU)

 

Einleitung

Bis zur Abreise zu unserer Tour durch Russlands Norden kannten wir das grösste Land der Erde nur aus Reportagen und aus den Nachrichten. Dabei haben sich in unseren Köpfen auch einige Vorurteile eingenistet. Mit jedem Kilometer den wir zurücklegten, erlagen wir mehr und mehr dem Zauber von Russlands Norden. 

Zugegeben, einige der Bedenken wurden auf unserer Reise von Vyborg über St. Petersburg bis Murmansk bestätig. Schlecht isolierte Plattenbauten und mit Schlaglöchern übersäte Strassen prägten das Bild in vielen Ortschaften. Je nördlicher wir fuhren, desto ungeniessbarer wurde das aus den Leitungen fliessende Wasser. Ganz im Norden traten auch die Folgen eines rücksichtslosen Abbaus der Bodenschätze zu tage.

Malerische Seen, unberührte Natur, urtümliche Dörfer und herzliche Begegnungen mit Einwohnern haben auf unserer Tour andererseits vieles wieder relativiert.

 

1. Tag – Nach Vyborg (220 Km)

Mit vier Stunden für den Grenzübertritt nach Russland seien wir gut weggekommen, meinte unsere Reisebegleitung von Abenteuer Osten für diese Tour durch Russlands Norden. Bei anderen Gruppen sei es schon vorgekommen, dass sie bis zu acht Stunden ausharren mussten, bis die Einfuhrpapiere für die Fahrzeuge abgestempelt und die Fahrzeuge von den akribischen Zollbeamten kontrolliert waren. 

Wer von Helsinki anreist, sollte daher für die Stecke von 220 km nach Vyborg sowie die Grenzformalitäten zur Sicherheit einen ganzen Tag einplanen. Wir waren um 8 Uhr morgens in Helsinki losgefahren und erreichten Vyborg gegen 16 Uhr. Unser Sammelpunkt war der Marktplatz im Zentrum der Stadt. Hier verbrachten wir auch unsere erste autarke Nacht in Russland.  

 

Trotz leichtem Regen und geplanter Stadtführung am Folgetag, machten wir uns gleich nach unserer Ankunft zu einer ersten Erkundungstour in Vyborg auf. Die Stadt wurde im Mittelalter von den Schweden gegründet. Bis zum 2. Weltkrieg gehörte sie zu Finland. Städtebaulich ist das noch gut zu erkennen. Ein breiter Boulevard gesäumt von Park und einst prächtigen Häusern mit Fassaden aus der Gründerzeit bis hin zum Art-Deco lassen mit etwas Phantasie den einstigen Wohlstand (dank des Hafens) erahnen. Schade nur, dass während der Sowjetzeit vieles an Bausubstanz umgenutzt oder dem Zerfall preisgegeben wurde.

 

2. Tag Vyborg – St. Petersburg (150 Km)

 Bei einer geführten Tour durch Vyborg am Vormittag erfuhren wir weitere Details zur interessanten Geschichte dieser Stadt. In den vergangenen Jahrhunderten herrschten hier die Schweden, die Deutschen, die Finnen und die Russen. Leider wurden in zahlreichen Kriegen immer wieder Teile der Stadt zerstört. Diese Auseinandersetzungen mehrheitlich unbeschadet überstanden haben lediglich Festungsanlagen. Ihre Blütezeit erlebte Vyborg während des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts. Davon ist nur noch wenig zu sehen. 

 

Am Nachmittag setzten wir unsere Reise in Richtung St. Petersburg auf einer von grossen Wäldern gesäumten, meist schnurgeraden Strasse fort. Schon von weitem wies uns der Gazprom Tower, das höchste Gebäude von Europa, den Weg zur Metropole. Zu unserem Stellplatz auf der anderen Seite der vier Millionen Einwohner zählenden Stadt, fuhren wir allerdings nochmals über eine Stunde.  

 

3. Tag – St. Petersburg (0 Km)

Am Morgen stand eine Stadtrundfahrt durch das prunkvolle St. Petersburg mit Besuch auf der Festungsinsel Peter und Paul auf dem Programm. Zu ihrem 300. Geburtstag im 2003 wurden in der Stadt viele historische Bauten und Denkmäler mit grosser Sorgfalt restauriert. Auch wir waren ganz bezaubert von den prunkvollen Kirchen und Palästen. Jetzt verstehen wir, warum Sankt Petersburg auch als Museum unter freiem Himmel bezeichnet wird.

 

Nach dem Mittagessen in einem Restaurant bekannt für seine russische Küche unternahmen wir eine Bootsfahrt über die zahlreichen romantischen Kanäle der Stadt.

 

4. Tag – St. Petersburg – Eremitage und Peterhof (0 Km)

Der Morgen war ganz der Eremitage und seiner weltberühmten Kunstsammlung gewidmet. Sie besteht aus insgesamt fünf prachtvollen Gebäuden (Winterpalast, Kleine und Große Eremitage, Neue Eremitage und Eremitage-Theater) und beherbergt unter anderem die zahlreichen, einst von der Zarin Katharina II. mit Leidenschaft gesammelten Kunstwerke. Von den weit über 100’000 Exponaten bekamen wir im gut drei Stunden dauernden Rundgang leider nur einen Bruchteil zu Gesicht. Nicht nur die Sammlung selbst lohnt einen Besuch. Auch die sehr prunkvoll gestalteten Räume dieser einstigen Zarenresidenz machen diesen Touristenmagnet trotz Warteschlangen vor den Eingängen zu einem „Muss“ für jeden Besucher der Stadt.  

 

Am Nachmittag fuhren wir mit einem Tragflügelboot über die riesige Newa zum 30 Km entfernten Peterhof, der ehemaligen Sommerresidenz von Zar Peter dem Grossen. Ursprünglich stand an diesem Küstenabschnitt des Finnischen Meerbusens ein kleines Häuschen, in dem er oft eine Pause einlegte, wenn er von der Peter-und-Paul-Festung nach Kronstadt reiste. Nach seinem Sieg über die Schweden bei Poltawa beschloss Peter der Große hier sein russisches Versailles zu errichten.

 

Bei windig-regnerischem Wetter stapften wir durch die vom Landschaftsarchitekten Jean-Baptiste Leblond gestaltete und heute mit viel Liebe zum Detail unterhaltene Anlage mit ihren regelmässigen Gärten mit ihren zahlreichen vergoldeten Bronzestatuen und Fontänen zur Kaskade vor dem Großen Palast. Die Statue  “Samson reißt dem Löwen den Rachen auf”, gilt als Sinnbild des Peterhofs und wurde zum Sieg bei Poltawa errichtet.  

 

5. Tag –  St. Petersburg – Katharinenpalast (0 Km)

Das sagenhafte und unbeschreiblich einzigartige Bernsteinzimmer im protzigen Katharinenpalast etwas ausserhalb von Sankt Petersburg wurde 1755 von Bartolomeo Rastrelli gestaltet. Das dekorative Bernsteinmaterial mit der originalen Bernsteintäfelung von Andreas Schlüter schenkte Friedrich Wilhelm I. von Preußen im Jahre 1717 Peter dem Grossen. Die originale Ausstattung verschwand während dsm 2. Weltkriegs auf vielleicht nimmer-wieder-sehen. Auch wenn wir nur eine nach alten Entwürfen und Aquarellen erstellte Rekonstruktion bestaunen konnten, zählt das Bernsteinzimmer heute zu den „Acht Weltwundern“. Nur schade, dass es nicht mehr fotografiert werden darf.

 

Nach Wunder und Horden in grossen Gruppen reisenden asiatischen Touristen konnten wir ein erstes Mal im liebevoll gestalteten Schlossgarten etwas durchatmen. Der 600 Hektaren grosse, nach französischem Vorbild gestaltete Park vor der 300 Meter langen Fassade des Palasts ist bei sonnigem Wetter dank seiner eleganten Symmetrie ein besonderes Kunstwerk.

 

Unseren letzten Abend in St. Petersburg krönten wir mit einer Aufführung des Ballettes „Schwanensee“ im berühmten Alexandrinsky-Theater. Der im Spätbarock gestaltete Innenraum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Enthusiasten sollten daher die Plätze unbedingt einige Wochen im Voraus reservieren.  

 

6. Tag – Von St. Petersburg über Priosersk nach Sortawala am Ladogasee (330 Km)

 Nach drei unvergesslichen Tagen in St. Petersburg freuten wir uns auf die Weiterreise in Richtung Norden. Das erste Etappenziel war die alte Festung von Priosersk. Die, umgeben von Wasser, in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Anlage kann besichtigt werden. Neben einem kleinen Souvenir-Shop lädt ein Restaurant zu einer Pause ein. 

 

Auf der abenteuerlichen A121 durch Karelien, vorbei an zahlreichen Seen und kleinen ursprünglichen Höfen, erreichten wir am späten Nachmittag die kleine Provinzstadt Sortawala am nördlichen Ufer des Ladogasees. Der Ladogasee gilt als der grösste Binnensee von Osteuropa. Alleine die zahlreichen Inseln auf diesem See weisen eine grössere Fläche auf als der Bodensee.

 

Auf unserem Stellplatz unweit des Jachthafens von Sortawala liessen wir nach einem verregneten Tag den Abend mit den letzten Sonnenstrahlen ausklingen.

 

7. Tag – Mit dem Tragflügelboot auf die Klosterinsel Walaam (0 Km)

In seiner wechselvollen Geschichte wurde das Archipel mit dem im 12 Jhd. gegründeten Kloster von den Schweden, den Russen, den Finnen und zuletzt um 1940 wieder von den Russen besetzt. Bei den meist kriegerischen Auseinandersetzungen wurden die Einrichtungen und Teile des Kloster leider unwiederbringlich zerstört. Davon ist heute nur noch wenig zu spüren. In den letzten 30 Jahren haben die Mönche und ihre Helfer grosse Anstrengungen unternommen, die Kathedrale, wie auch die gesamte Klosteranlage wieder in alter Pracht auferstehen zu lassen.

Auf unserer Fahrt mit dem Tragflügelboot über den Ladogaseee konnten wir bereits von weitem die Umrisse des Erlöser-Verklärungs-Klosters auf der Insel Walaam erkennen. Als das Schiff die Klosterbucht ansteuerte, erschien an der linken Uferwendung plötzlich eine weisse, wie über dem Wasser schwebende Kirche. 

 

Auf der von Fliederbüschen gesäumten Treppe stiegen wir die 62 Stufen hinauf zum Klosterkomplex. Für die zahlreichen Besucher der Kirche, gelten strenge Kleidervorschriften.

 

Die Kathedrale ist von einem Aussenviereck umgeben, das neben dem Wohnraum für die rund 200 Mönche bzw. die über 300 Angestellten auch die Werkstätten, die Küche und eine Bäckerei beherbergt. Um Selbstversorgung für  Bewohner und  Wallfahrer bemüht, wurden auf der Insel mehrere Obstkulturen und Gemüsegärten angelegt. Daneben wird Viehzucht und Fischfang betrieben. Der Verkauf von Souvenirs leistet einen weiteren Beitrag an den Unterhalt der Anlage.

 

9. Tag – Abstecher nach Ruskeala und zurück auf der A121 nach Kinerma (260 Km) 

Ein weiterer Tag mit neuen Eindrücken bis zum Abwinken. Unsere erste Station waren die Marmorcanyons von Ruskeala. Kurz nach 10 Uhr morgens wurden wir von einer kundigen Führerin auf dem zwei Kilometer langen Rundweg entlang der ehemaligen und heute teils gefluteten Steinbrüchen, in die Geschichte dieses Steinbruchs eingeführt. Einige der ehemaligen Stollen können heute ebenfalls besichtigt werden. Wer besonders mutig ist, kann an einem Stahlseil hängend, in luftiger Höhe und rasender Geschwindigkeit, den glasklaren See des Canyons überqueren.

 

Im einstmals über 100 Einwohner zählenden Kinerma leben heute noch gerade mal fünf sowie einige glückliche Schweine das ganze Jahr über im gemeinhin schönsten Dorf von russisch Karelien. Bei einem geführten Rundgang vorbei an rustikalen Holzhäusern und einer über 200 Jahre alten, mit Ikonen geschmückte Kirche, bekamen wir einen Eindruck von der wechselvollen Vergangenheit der Siedlung und der Karelier in dieser Region Russlands. 

 

10. Tag – Von Kinerma über Petrosawodsk zum Onegasee (150 Km) 

Absehen von einigen, an den 2. Weltkrieg erinnernden Denkmälern, führte uns die von dichten Wäldern gesäumte Strasse R21 direkt nach Petrosawodsk, der Hauptstadt Kareliens. 

Vor der Weiterfahrt zu unserem etwa 25 Km entfernten Stellplatz am Onegasee haben wir uns eingangs Petrosawodsk im Supermarkt Sigma mit Lebensmitteln für den heutigen Grillabend am Ufer des riesigen Sees eingedeckt. Bis es soweit war, machten wir noch eine Erkundungstour durch die Stadt. 

 

In Kareliens Hauptstadt leben 260’000 Menschen. 60’000 davon sind Studenten. Bildung und kulturelle Angebote stehen daher hoch im Kurs. Die zahlreichen Theater, Kleinbühnen und Museen werden von der Bevölkerung gerne in den langen Wintermonaten mit maximal vier Stunden Tageslicht zur Zerstreuung genutzt. Der erste Schnee fällt in Petrosawodsk bereits im Oktober und bleibt meist bis Ende April liegen. Der von Mitte Juni bis Ende August dauernde kurze Sommer wird von den Einheimischen für Spaziergänge an der schönen Seepromenade genutzt oder auf einer der Datschas entlang des Sees verbracht.

 

11. + 12 Tag – Die Holzkirche von Kishi und Ruhetag am Onegasee  (0 Km)

Unser Bootsausflug zur berühmten Museumsinsel Kishi (UNSECO-Weltkulturerbe) im Onegasee war zweifelsfrei ein weiterer Höhepunkt dieser Reise. Die Anfahrt mit dem Tragflügelboot ab Petrosawodsk dauerte etwas über eine Stunde. 

Als wir dort gegen Mittag ankamen, verliessen gerade zwei der ebenfalls auf dem See kreuzenden Passagierschiffe den kleinen Hafen der Insel. Nur noch wenige andere Besucher versperrten uns die Aussicht auf die Baudenkmäler entlang der Touristenpfade auf dieser knapp fünf Kilometer langen und kaum einen Kilometer breiten Insel. 

 

Das wohl am meisten fotografierte Ensemble besteht neben einem begehbaren Glockenturm aus zwei Kirchen. Der prächtigen, ohne einen Eisennagel erbaute und mit 22 Holztürmchen versehenen Sommerkirche sowie einer beheizbaren kleineren Winterkirche. An der Ersteren wurden gerade umfangreiche Renovationsarbeiten durchgeführt. Eine Innenbesichtigung sollte ab 2020 wieder möglich sein. Dafür entschädigt wurden wir mit einem Koral in der Winterkirche sowie einem Glockenspiel bei der Kapelle des Erzengels Michael, welche sich am westlichen Ende der Insel befindet. 

 

Im ehemaligen Bauernhaus, des einstmals reichsten Bauern der Insel, erfuhren wir viel wissenswertes über die Lebensweise der Inselbewohner. Neben Viehzucht trugen der Anbau von Roggen und Gerste sowie der Fischfang zum Lebensunterhalt bei. Was hier nicht selbst hergestellt werden konnte, wurde von einer der Nachbarinsel oder aus Petrosawodsk herbeigeschafft. Die Überfahrt dahin dauerte mit einem Kishanka, den traditionellen Booten der Fischer auf dem Onegasee, im Sommer gute sechs Stunden. Natürlich nur bei ruhiger See. Etwas schneller voran ging es im Winter mit den von Pferden gezogenen Schlitten über den bis zu 60 cm dicken Eispanzer des Sees. 

 

Nach unserer Rückkehr von einem unvergesslichen Tag auf Kishi genossen wir erschöpft aber glücklich spätabends einen glutroten Sonnuntergang am Onegasee. Der folgende Ruhetag gab uns die Zeit, die vielen Eindrücke der letzten Tage zu verarbeiten.

 

 

13. Tag – Nach Powenez am Nordufer des Onegasee (220 Km) 

Heute erlebten wir unsere erste Enttäuschung auf dieser Tour. Einer Empfehlung folgend, verliessen wir etwa 44 km nach Petrosawodsk in Richtung Murmansk die M18 für einen Abstecher nach Konopoga. Hier wollten wir am frühen Morgen vor dem Besucheransturm die Maria-Himmelfahrts-Kirche besichtigten. Die 1774 erbaute Kirche mit ihrem 42 Meter Hohen Turm gilt, besser gesagt, galt als eines der bedeutendsten Denkmäler nordrussischer Holzbauarchitektur. Sowohl die Kirche als auch die darin angebrachten Ikonen wurden bei einem grossen Brand 2018 leider unwiederbringlich zerstört.  

 

Etwas enttäuscht setzten wir unsere Reise zum Wasserfall von Kiwats fort. Der Zugang zum Wasserfall kostete 150 Rubel pro Person. Über drei Holztreppen gelangten wir zu den beiden insgesamt rund 10 Meter hohen Kaskaden des Wasserfalls. Nach einem kurzen Imbiss in einer der Schaschlikbuden auf dem umzäunten Gelände machten wir uns auf den Weg, zu unserem Stellplatz bei Powenez, am nördlichen Ufer des Onegasees unweit des Weissmeerkanals.

 

14. Tag – Powenez am Onegasee (0 Km) 

Wieder einmal konnten wir unseren Camper stehen lassen. Mit dem Bus und in Begleitung von einem lokalen Guide fuhren wir zum legendären und berüchtigten Weissmeer-Ostseekanal. Er gilt als einer der aufwändigsten Kanalsysteme der Welt. Alleine im 230 Km langen Abschnitt zwischen dem Weissen Meer und dem Onegasee wurden 19 Schleusen gebaut und damit eine Höhe von über 100 Metern sowie eine Wasserscheide überwunden.

Für den von Stalin aus militärstrategischen Gründen angeordneten Bau des Kanals wurden mehrheitlich Deportierte seines Regimes eingesetzt. Unter unmenschlichen Bedingungen mussten geschätzte 130’000 Männer und Frauen mit blossen Händen, Hammer und Meissel in 21 Monaten das Kanalbett bauen. Auch bei 40 Grad unter null! Heute erinnern lediglich eine Kirche bei der ersten Schleuse an die mehr als 30’000 beim Bau Umgekommenen.

 

Zur Einstimmung auf unsere Tour durch Russlands Norden haben wir das eindrückliche, mit vielen Bildern angereicherte Buch „Das Kreuz des Nordens – Eine Reise durch Karelien“ von Klaus Bednarz gelesen. Darin stand ein Zitat eines Freundes, „In Karelien werdet ihr unendlich viel Wald sehen, unendliche viele Seen und unendlich viele Kreuze“. 

Schon in den ersten Tagen unserer Tour sind wir an unzähligen Kreuzen vorbeigefahren. Manchmal stehen sie vereinzelt entlang der Strasse oder in grossen Gruppen halb versteckt in Wäldern, wie zum Beispiel bei Sandormoch. Es handelt sich hierbei nicht um Friedhöfe für Menschen, die eines natürlichen Todes starben, sondern um Gedenkstätten für tausende unter dem Massenterror von Stalin gewaltsam zu Tode gekommene, für Verhungerte und Erfrorene oder in den Kriegen Gefallene. 

 

Schweigsam und in gedrückter Stimmung verliessen wir die Gedenkstätte von Sandormoch, wo tausende Menschen aus 62 Nationen unter einer dünnen Sandschicht in Massengräbern verscharrt liegen. Unsere nächste Station machten wir in Medwezhegorsk. In dieser, wie unzählige andere Siedlungen zur Stalinzeit gebauten Stadt, befanden sich einst die Büros der Bauleitung für den Weissmeerkanal. 

 

Medwezhegorsk ist heute ein Knotenbunkt der Eisenbahn von St. Petersburg nach Murmansk. Die Stadt verfügt über kleine Tante-Emma-Läden und mehrere kleine Shops eines russischen Grossverteilers, ein Theater sowie ein Museum. Es war Samstag. In und vor dem Nebengebäude des Museums standen daher einige Marktstände mit Kleidern und Lebensmitteln.

 

Im gut gemachten ethnologischen Museum von Medwezhegorsk erfuhren wir weitere Details über den Bau des Kanals, den Finnisch-Russischen Grenzkrieg zwischen 41 und 44 sowie die Lebensweise der Karelier in früheren Zeiten. 

 

15. Tag – In Richtung Belomorsk ans Nordende des Weissmeerkanals (300 Km) 

Auf der von Wäldern und Seen flankierten M18 in Richtung Murmansk spulten wir Kilometer um Kilometer im zügigem Tempo ab. Lediglich die zahlreichen Baustellen zwangen uns von Zeit zu Zeit etwas Fahrt rauszunehmen. 

 

Gut durchgeschüttelt von der langen Fahrt nach Belomorsk erreichten wir am Nachmittag unseren Stellplatz für die nächsten Tage neben der 16. Schleuse des Weissmeerkanals. Trotz eigentlichem Verbot, konnten wir der Versuchung nicht widerstehen, die Schleuse beim Platz in Aktion zu fotografieren. 

 

16. Tag – Das Kloster von Solowki (0 Km) 

Die Insel Solowki, auch Solowezki genannt, gehört zum gleichnamigen Archipel im Weissen Meer. Leider war der angekündigte Katamaran für die Überfahrt von Belomorsk zur Insel kurzfristig ausser Betreib. Einmal mehr gelang unserem Begleiterteam von Abenteuer Osten auch für dieses Problem eine Lösung zu finden.

Um fünf Uhr morgens bei strahlendem Sonnenschein wurden wir in Kleinbussen in den 50 km entfernten Küstenort Kem gefahren. Von dort brachte uns ein kleineres, von leichtem Rost patiniertes Passagierschiff aus sowietischer Zeit und mit Sitzen, die so unbequem waren, wie sie aussehen, in zwei Stunden über das Meer zur Insel.  

 

Auf Solowki befindet sich eines der berühmtesten aber auch berüchtigtsten Klöster von Russland. Schon bei der Ankunft am Pier erblickten wir die mächtigen Mauern des Klosters, die dicker sein sollen als die Mauern des Kremls in Moskau. 

 

Bei unserem Rundgang durch das Kloster und seinen Befestigungsanlagen mit Lisa, einer deutsch sprechenden Reiseführerin, erfuhren wir, dass das Kloster bereit 1429 gegründet wurde. Lange galt das Kloster als Ausgangspunkt für die Kolonialisierung und Verbreitung des christlichen Glaubens im hohen Norden. Neben seiner kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung war es das erste politische Gefängnis Russlands. Die Aufsicht oblag damals den Mönchen, welche die Gefangenen auch als Sklavenarbeiter ausbeuteten. 

 

Im Jahr 1923 ermordeten oder vertrieben die Bolschewiki die meisten Mönche und funktionierten das Kloster in das erste Straflager der Sowjetunion um. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Blaupause für weitere GULAGs in der Region und in ganz Russland. Unter dem Motto „Umerziehung zum neuen Menschen“ wurden die Häftlinge mit sinnlosen Tätigkeiten gequält, gedemütigt und oft gebrochen. So mussten sie den ganzen Tag mit blossen Händen Wasser aus einem Eisloch in das andere füllen oder den selben schweren Stein oder Holzbalken sinnlos hin und her tragen.

Die Renovation der zum Kloster gehörenden Gebäude und Befestigungsanlagen begannen Anfang der 90er Jahre und waren bei unserem Besuch noch nicht abgeschlossen. In der ärmlichen Siedlung auf der Klosterinsel Solowki hingegen waren die Spuren der schrecklichen Vergangenheit grösstenteils schon ausgemerzt.    

 

17. Tag – Die Petroglyphen bei Belomorsk (0 Km) 

Ein weiterer Grund, für die Wahl des Stellplatzes unweit von Belomorsk waren die Steinzeichnungen (Petroglyphen), deren Alter auf etwa sechstausend Jahre geschätzt werden. 

Wenige Kilometer westlich inmitten der nordkarelischen Seenplatte erwarteten uns auf einem aus dem Taigaboden ragenden Felsplateau einzigartige Zeugnisse der karelischen Kulturgeschichte. Nach einem kurzen Spaziergang durch einen mückenverseuchten Wald erreichten wir die Stätte, welche einstmals für kulturelle Zwecke genutzt wurde. 

 

Die Bedeutungen der mit scharfen Gegenständen in den Felsen geritzten oder gehauenen Jagdszenen, tanzenden Schamanen, Booten und andern Figuren sind bis heute nicht endgültig enträtselt. Trotzdem geben die Darstellungen darüber Auskunft, wie die Menschen zu früheren Zeiten an den Ufern des Weissen Meers gelebt, wie sie gejagt und im Meer gefischt haben. Forscher glauben auch, dass mit Hilfe von diesen Zeichnungen das Wissen zum Überleben in dieser unwirtlichen Region von einer Generation zu nächsten weitergegeben wurde. Hier fand man auch die ersten Hinweise, dass die damaligen Menschen bereits auf Skiern zur Jagd gingen.

 

18. Tag –  Belomorks bis Kandalaksha  (415 Km)

Auf der R21 mit ihren endlosen Geraden und bei durchzogenem Wetter hatten wir die Königsetappe unserer Tour nach Kandalaksha in knapp fünf Stunden hinter uns gebracht. Traumhafte Seenlandschaften, dichte Fichtenwälder, bunte Häuser und andere Kuriositäten sorgten für etwas Abwechslung auf unserer langen Fahrt durch Russlands Norden.

 

Obwohl ein heftiger Wind uns und die Wolken vor sich her trieb, kamen wir natürlich nicht um einen kurzen Fotostopp bei der Überquerung des Polarkreises herum.  Ein kurzes Stück weiter nördlich hiess es Do-Swidanja (auf Wiedersehen) Karelien und Strastvujtie (Hallo!) Murmanskaya.

 

Bei Kandalaksha verliessen wir die Achsentstrasse. Nach Einkäufen in der gut bestückten Filiale von SPAR eingangs Kandalaksha waren es noch wenige Kilometer bis zu unserem Stellplatz an der zur malerischen Tschupa-Bucht am Weissen Meer.

 

19. Tag –  Kandalaksha und Umgebung (0 Km) 

Unseren letzten Tag am Ufer des Weissen Meers starteten wir im Bus mit einer Exkursion zum Kreuzpass. Von hier sind früher die Rodelschlitten in internationalen Wettbewerben die Steilküste hinab gesaust. Heute gibt der ehemalige Startpunkt einen Blick auf einige Inseln in der Bucht frei. 34 Inseln verteilen sich über die ganze Bucht. Etliche davon wurden vor einigen Jahren zu Biosphären erklärt und sind damit geschützt. 

Die Kolawasserfälle wenige Kilometer östlich vom Pass werden zweimal im Jahr von den Lachsen überwunden, bevor sie weiter den Fluss hinausschwimmen um dort zu laichen und zu sterben. 

 

In einem kleinen Küstendorf unweit der Fälle durften wir das einfache Leben der Einheimischen beobachten. Die freundlichen Bewohner des Dorfes verdienen heute ihren Lebensunterhalt als Fischer, betreiben etwas Landwirtschaft oder arbeiten in einem der Betriebe rund um Kandalaksha. 

 

Noch mehr über das Leben in früheren Zeiten erfuhren wir im kleinen Heimatmuseum von Kandalaksha. Eine der Ausstellungen ist den Pomoren gewidmet. In der zweiten Ausstellung wird auf die für den Ort relevanten Ereignisse im 2. Weltkrieg eingegangen. Ein T34 Panzer, auf einem Sockel mitten auf dem Hauptplatz abgestellt, hält die Erinnerung an diese heldenhafte Zeit ebenfalls für immer wach.   

 

20. Tag – Kandalaksha bis Kirovsk (125 Km)

 Wunderschöne Moorlandschaften entlang der R21 motivierten uns immer wieder zu einem Fotostopp. Nach einer kurzen Mittagspause am Ufer von einem der zahlreichen namenlosen Seen schwenkten wir für einen Abstecher in den Osten der Halbinsel Kola ab. Die Spuren der Buntmetallverhüttung bei Apatity waren nicht zu übersehen. In der Hoffnung auf etwas angenehmere Luft steuerten wir auf das höher gelegene Wintersport- und Wandergebiet von Kirovsk zu. 

 

Bei Russlands nördlichstem Botanischen Garten hinter Kirovks hatten wir unseren Stellplatz für die kommenden zwei Nächte. Dank diesem Umstand kamen wir in den Genuss einer Führung durch den mehrere Hektaren grossen Garten. Hier werden Planzen aus der ganzen Welt auf ihre Widerstandsfähigkeit im rauen Klima des Khibini-Massivs untersucht. Der Botanische Garten verfügt auch über zwei Gewächshäuser für tropische Planzen und Sukkulenten. Wissenschaftlich gesehen eigentlich ein Unsinn, bieten sie anderseits den Besuchern in den langen Wintermonaten einen eindrücklichen Kontrast zum rauen Klima draussen. 

 

21. Tag – Kirovsk und Umgebung (0 Km) 

Nach einem Abstecher in Kleinbussen zu einem See am Fusse des Khibini-Massivs besuchten wir anschliessend eine Ansiedlung bei einem der Bergwerke zum Abbau von Apatite. Daraus wird in einem komplizierten Prozess Phosphor extrahiert, das wiederum als Dünger oder für Rüstungszwecke verwendet wird. Ein echtes Kontrastprogramm!

 

Im Anschluss an das gemeinsame Mittagessen im Zentrum machten wir uns auf zu einem Spaziergang durch Kirovsk und einen im Winter als Langlaufstrecke genutzten Park etwa oberhalb der Stadt. Schneereiche Winter mit Dauerfrost sind der Grund für die knorrigen Formen der kleinwüchsigen Birken.

 

Alles über die Anfänge des Bergbaus in der Gegend, die Gewinnung des Phosphors und die hier gefundenen Mineralien erfuhren wir im gut gemachten Mineralienmuseum von Kirovks. Daneben verfügt es auch über eine feinsortierte Kollektion von alten Samowaren.

 

22. Tag – Von Kirovsk nach Murmansk (200 Km) 

Auf, zu unserer letzten Etappe durch Russlands Norden. Bevor wir Murmansk ansteuern konnten, folgten wir in freudiger Erwartung der Einladung zum Besuch eines kleinen Freilichtmuseums der Samen. Dieses Volk siedelte bereits vor 6000 Jahren nach der letzten Eisschmelze auf der Kola-Halbinsel an. Die Samen lebten von der Jagd, vom Fischfang und den Früchten des Waldes, wie Beeren und Pilze. Später brachte die Rentierzucht eine weitere Verbesserung der Lebensgrundlage. 

 

Wieder auf der R21 passierten wir etwas später das Gebiet um Montschegorsk. Leider haben die vorhandenen Bodenschätze und die damit verbundene Buntmetallverhüttung unübersehbare Spuren hinterlassen. Die arglose Umweltverschmutzung haben der ökologisch empfindlichen Waldtundra erheblichen Schaden zugefügt. Obwohl noch nicht überall die Schlote mit Filtern ausgestattet wurden, scheint sich die Natur in gewissen Zonen wieder ein Stück weit zu regenerieren. 

 

23. Tag – Besichtigung von Murmansk (0 Km) 

Murmansk, am auch im Winter eisfreien und über 50 Kilometer langen Kola-Fjord gelegen, feierte 2016 sein hundertjähriges Bestehen. Die heute grösste Metropole jenseits des Polarkreises ist hier entstanden, um der russischen Kriegsmarine im 1. Weltkrieg einen eisfreien Zugang zur Beringstasse und damit auch zum atlantischen Ozean zu ermöglichen. Heute zählt die Stadt über 300’000 Einwohner. Vor Glasnost und Perestroika waren es sogar über 500’000. Das anlässlich des Jubiläums herausgeputzte Stadtzentrum steht in einem starken Kontrast zu den peripheren Plattenbauten aus der Sowietzeit.

 

Während unserer geführten Stadtbesichtigung besuchten wir das Mahnmal des am 12. August 2000 vor der norwegischen Küste explodierte Atom-U-Boot Kursk beim Leuchtturm. Zu einer herzlichen Begegnung mit Einheimischen kam es bei der nahen Kathedrale, wo gerade die Pfingstmesse abgehalten wurde. 

 

Auf einer Anhöhe beim Alyosha Monument, einer 36 Meter hohen Statue die dem Unbekannten Soldaten des II. Weltkrieges gewidmet ist, genossen wir den Ausblick auf Stadt, Hafen und Fjord. 

 

Am Nachmittag gingen wir an Bord des ersten atomar betriebenen Eisbrechers „Lenin“. Das heutige Museum-Schiff stand von 1947 bis 1989 im Einsatz. In den  30 Jahren räumte sie die Fahrrinne entlang der russischen Nordküste für Tausende von Schiffen. Ihr Atomantrieb erwies sich dabei als sehr effizient, wenn auch nicht ganz störungsfrei.

 

Schon einmal die roten Riesenkrabben probiert? Diese wurden unweit von Murmanks unter Chruschtschow in der Beringsee angesiedelt, um die einheimische Bevölkerung ganzjährig ausreichend mit Proteinen zu versorgen. Die Krabben haben sich hier hervorragend eingelebt und dabei gleich das ganze Ökosystem entlang der Küste auf den Kopf gestellt. 

  

Fazit

Es war die richtige Entscheidung, uns durch Russlands Norden einer begleiteten Tour anzuschliessen. Mit unseren bescheidenen Kenntnisse der russischen Sprache aus dem dreimonatigen Abendkurs hätten wir in Ausnahmesituationen sicherlich Probleme bekommen. An dieser Stelle unseren herzlichen Dank an Valentina, Viktor und Valeri von Abenteuer Osten.

Ganz generell glauben wir, dass das individuelle Bereisen von Russland ohne die entsprechenden Vorkenntnisse von Sprache und Kultur sehr anstrengend sein kann. Abgesehen von einigen lokalen Guides spricht kaum jemand Englisch oder Deutsch. Mal abgesehen von St. Petersburg. 

Eine wechselvolle Geschichte, unberührte Landschaften und Küstenabschnitte, unzählige Seen sowie eindrückliche Baudenkmäler machen den Norden Russlands zu einem Eldorado für jeden Erkundungsreisenden. Also fast noch ein Geheimtipp. 

Die fehlenden Touristenströme ausserhalb von St. Petersburg, Kishi oder Murmansk scheinen zusammen mit den stringenten Einreisebestimmungen auch der Grund dafür zu sein, dass eine entsprechende Erschliessung noch nicht stattgefunden hat. Eine rudimentäre und oft vernachlässigte Infrastruktur vielerorts bestätigen das. 

Wie wir mit unserem kompakten VW California auf unserer über vier Wochen dauernden Tour durch Russland zurecht gekommen sind, beschreiben wir demnächst im „Härtetest“. 

Share.
Datenschutzinfo