Einleitung
Seit der Auslieferung im April 2019 haben wir mit unserem VW T6 California Ocean Grey 4Motion auf Touren an den Gardasee, durch das Baltikum, den Norden Russlands, Skandinavien bzw. Dänemark und Sizilien schon über 14000 Kilometer zurückgelegt. Diese Trips dauerten einige Tage bis zu mehreren Wochen. Während dieser Zeit war unser „Cali“ (sein Kosenamen) Fortbewegungsmittel, Wohn- und primärer Schlafraum in einem.
Wir bereisten traumhafte Landschaften, besuchten kulturelle Attraktionen, grosse Städte und entlegene Dörfer, fuhren mal auf guten Autobahnen, mal auf mit Schlaglöchern übersäten Strassen und Feldwegen. Auf sonnige folgten nasskalte Tage. Dabei mussten wir mit Aussentemperaturen von 35 Grad bis runter zum Gefrierpunkt zurecht kommen.
Unterwegs mit dem Cali
Für die ersten 10’000 km entsprachen die Verbrauchswerte für Diesel und Ad-Blue ziemlich genau den Angaben in den Verkaufsunterlagen. Unser Cali liess sich im gemischten Fahrbetrieb mit durchschnittlich 8.7 Liter Diesel auf 100 km und zirka einen Liter AdBlue auf 1000 km fortbewegen. Ein voller Tank AdBlue reicht damit locker für über 9000 Kilometer. Das ist beruhigend. Vor allem dann, wenn man Länder bereist, wo dieses Additiv nur schwer zu bekommen ist. Für AdBlue haben sich die Werte auch danach nicht verändert. Nicht so beim Diesel, jetzt verbraucht unser Cali trotz unveränderterer Fahrweise knapp 10 Liter.
Dank seinen rund 200 PS verfügten wir immer über genügend Leistungsreserven zum Beispiel beim Überholen der überlangen Lastfahrzeuge in Russland. Der 4Motion-Antrieb mit Sperrdifferential vermittelte uns auf schlechten Strassen oder unbefestigten Camping- und Stellplätzen meistens ein sicheres Gefühl.
Gegenüber der Version mit 150 PS ohne 4Motion, welche wir für unsere Tour durch das Elsass gemietet hatten, hat unser Cali aber einen ärgerlichen Nachteil. Sein Turboloch! Ganz konkret: egal ob man das Gaspedal mit Gefühl oder rabiat runter drückt, es dauert jeweils eine gefühlte Ewigkeit, bis sich der Wagen in Gang setzt. Dann, urplötzlich sprintet er mit einem Satz los. Das macht das Einfädeln in den Verkehr an Kreiseln und Kreuzungen schwer berechenbar. Wenn man weiss, wie forsch die Autofahrer in einigen Ländern teils unterwegs sind, z.B. in Russland wird man erst bei Geschwindigkeitsübertretungen von über 20 Km/h gebüsst, erahnt man vielleicht die Gefährlichkeit von solchen Situationen.
Mit dem gleichen Problem haben wir auch beim Ausrichten des Wagens auf dem Campingplatz zu kämpfen. Langsames auffahren auf die Keile geht nur mit angezogener Handbremse. Ohne sie springt das Fahrzeug bei endlicher Gasannahme einfach über die Keile. Zum reagieren bleibt keine Zeit mehr.
Mit dem schwächer motorisierten Mietfahrzeug hatten wir dieses Problem nicht. Unser Händler meinte dazu, dass man bei unserem Fahrzeug im Menü „Einstellungen* den Freilauf aktivieren oder deaktivieren soll, dann würde es besser. Wir haben beide Optionen ausprobiert. Gebracht hat es nichts.
Wohnen im Cali
Ordnung ist das halbe Leben! Dies gilt ganz besonders beim VW California. Stauraum und Ablageflächen sind knapp bemessen, die Küchenzeile rasch mit allem Möglichen verstellt. Insbesondere wenn man wie in Dänemark zu Dritt unterwegs ist. So gehört es einfach dazu, dass man bei so einem kleinen Wohnmobil ständig aufräumt. Nur so lässt sich das Benötigte rasch wieder finden. Was wir nicht täglich brauchten, haben wir daher in Normboxen im Heck verstaut.
Pfannen, Geschirr und Besteck sind unter dem Herd und Lavabo eingeräumt. Die Schuhe haben ihren Platz in der grossen Schublade unter der Sitzbank. In einer optionalen zweiten schmäleren Schublade haben wir Kaffee, etwas Kohlenhydrate und unsere zahlreichen Ladekabel für Computer, Kameras und Handys deponiert. Jacken und Hosen haben ihr Plätzchen in der Garderobe, die Unterwäsche ist im Schränkchen im Heck verstaut.
Besonders praktisch finden wir auch die von Volkswagen implementiere Lösung für Campingtisch und -stühle. Der Tisch lässt sich an der Innenseite der Schiebetüre befestigen. Für die beiden Stühle gibt es eine Nische in der Heckklappe.
Die fehlende Nasszelle bzw. Boardtoilette haben wir ein Stück weit mit einem Porta Potti auf Kosten von etwas Stauraum in der Küchenzeile kompensiert. Unser Cali verfügt zwar über eine Aussendusche. Ein Heckzelt aus dem Zubehörkatalog von Volkswagen würde auch für etwas Privatsphäre sorgen. Jedoch reicht der vorhandene Platz im Fahrzeug für die werkseitige Montage eines kleinen Warmwasserboilers nicht aus. Auf den wenigen von uns frequentierten Stell- oder Campingplätzen ohne Duschen musste deshalb eine Katzenwäsche mit kaltem Wasser aus dem Waschtrog der Küchenzeile genügen.
Zum Schutz vor Mücken hauptsächlich in Russland und auf Sizilien kam ein Moskitonetz von MaxxCamp zum Einsatz. Das mit einem Magnetband eingefasste Netz bewährte sich bei geöffneter Schiebetüre recht gut. Trotz sorgfältiger Montage genau nach Anleitung dockten die Magnete beim Schliessen der Türe an dieser an. Vermutlich wäre das FLYOUT, welches an einem Klettband befestigt wird, die besser Wahl gewesen.
Unser Cali ist nur mit einer 2.75 kg Gasflasche (Typ Campingaz R907) ausgestattet. In Europa sollte man sie fast überall ohne Probleme ersetzen können. Obwohl wir das Gas nicht zum Heizen benötigen, hatten wir etwas Bedenken, ob die vorhandene Gasmenge für die mehrwöchige Tour durch Russland ausreichen würde. Sie hat! Wo immer auf den Stellplätzen Aussenstrom vorhanden war, haben wir das Wasser (für Kaffee, Suppen, Kartoffeln oder Pasta) im Wasserkocher erhitzt respektive bereits vorgewärmt. Wir gehen davon aus, dass die Gasflasche auch nach sechs Touren noch zur Hälfte voll ist.
Schlafen im Cali
Eigentlich sind wir „Space-Junkies“ geblieben, auch wenn wir heute mit einem viel kleineren Wohnmobil als früher unterwegs sind. Dank der Möglichkeit, zwei grosszügige Schlafplätze einzurichten (unter dem Hubdach und durch das Umklappen der hinteren Sitzbank), verfügen beide auch im Cali über genügend Platz, um sich nachts ungestört von einer Seite zu anderen wälzen zu können.
Wer jedoch oben unter dem Hubdach schläft, tut das eigentlich in einem Zelt. Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man mit dem California kampiert. Von der Umwelt bekommt man ausser der Nässe bei Regen wirklich alles mit, also Hitze, Kälte, Umgebungslärm und im hohen Norden während den Sommermonaten auch die hellen Nächte. Bei leichtem Schlaf sind Schlafmaske und Ohrstöpsel sehr zu empfehlen. Unten ist es merklich ruhiger, dafür auch wärmer und die Liegefläche wegen der Küchenzeile etwas schmäler.
Während unserer Reise von Vyborg nach Murmansk durch den Norden von Russland, hatten wir grosse Temperaturunterschiede. An den wenigen sehr heissen Tagen am Ufer des Ladogasees sorgten die Öffnungen des Aufstelldachs an der Seite und vorne schon bei geringem Wind für guten Durchzug und damit für etwas Abkühlung.
Die mehrstufige, mit Diesel betriebene Standheizung, erwies sich bei kühlen und regnerischen Wetter als wahrer Segen. Obwohl die Warmluft nur durch zwei Öffnungen an der B-Säule ausströmt, wärmt sie das ganze Wohnmobil rasch auf, auch bei geöffnetem Aufstelldach. Dank dieser cleveren Anordnung der Düsen gelangt sogar bei runtergelassener Liegefläche etwas Warmluft hinauf ins „Zelt“. Nur das ständige gut hörbare Ticken der Heizung unter Volllast, vergleichbar mit dem Uhrwerk einer alten Kaminuhr, nervt mit der Zeit. Wir haben unseren Vertragshändler bereits nach der ersten Tour an den Gardasee auf dieses Problem hingewiesen. Der meinte nur, das sei bei dieser Heizung normal… So oder so, die eigentlich recht bescheidene Isolation des Fahrzeugs war auf unseren Reisen nie wirklich ein Problem. Für das Aufstelldach werden ausserdem durch den Zubehörhandel passende Isolationsmatten zur Auskleidung der Innenseiten angeboten.
Fazit
Wir erkunden gerne die entlegensten Winkel dieser Erde. Aufgrund von seinen kompakten Dimensionen, welche kaum grösser sind, als die eines Personenwagens aus der Mittelklasse, kommen wir mit unserem Cali praktisch überall hin und können ihn auf normalen Parkplätzen oder in Parkhäusern meist problemlos abstellen. Für unsere Art des Reisens ist der VW California trotz seines geringeren Innenraums und des limitierten Stauraums das ideale Fahrzeug. Und sollten unterwegs die Voraussetzungen für’s Kampieren einmal doch nicht gegeben sein, weichen wir einfach auf ein Hotel- oder Gästezimmer aus.
Aufgrund der überwiegend positiven Erfahrungen würden wir uns auch heute wieder für einen VW California entscheiden. Wahrscheinlich wäre es dieses mal jedoch das Modell mit dem 150-PS-Motor und ohne Allradantrieb. Denn auch das Fahrwerk von unserem Cali hat uns trotz 4Motion-Technologie noch nicht wirklich überzeugt. Es einfach zu wenig straff. Das Fahrzeug scheint hinten auch etwas durchzuhängen und vermittelt auf kurvigen Strassen ein eher schwammiges Fahrgefühl. Dann wäre da noch der Verbrauch, welcher sich seit unserer Sizilientour praktisch auf dem Niveau seines Vorgängers, einem 3.5t schweren LMC, eingependelt hat. Wir werden bezüglich den letztgenannten Punkten nochmals das Gespräch mit dem Vertragspartner suchen und sollten sich dazu Lösungen abzeichnen, an dieser Stelle auch entsprechend darüber informieren.